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Christian Tauch
Projektleiter nexus |
| Modellprojekte machen vor, wie die qualitätsgesicherte Anrechnung von Kompetenzen aus der Berufswelt auf ein Hochschulstudium mit Gewinn für alle Seiten funktionieren kann. Allerdings gibt es bei der Anrechnung noch Herausforderungen und Unsicherheiten. nexus hat sich im letzten Jahr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und zusammen mit den Expertinnen und Experten aus den Runden Tischen Anerkennung und Wirtschaftswissenschaften Leitlinien für gute Anerkennungverfahren erarbeitet und jetzt in einer Handreichung veröffentlicht. Alle an der Anrechnung beteiligten Hochschulangehörige erhalten mit diesem praxisnahen Leitfaden einen guten Überblick, wie Prozesse und Regelungen hochschulweit etabliert, kommuniziert und mit Leben erfüllt werden können. Aus verschiedenen Perspektiven beleuchten wir das Thema Anrechnung auch in diesem Newsletter: Dr. Irene Seling von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kommentiert für uns das Thema Anrechnung aus Arbeitgebersicht, Dr. Mario Seger von der TU Darmstadt berichtet im Interview über seine Befragungen von Hochschulleitungen und -verwaltungen. Beide plädieren aus ihrer jeweiligen Sicht für hochschulübergreifende Lösungen zum Thema Anrechnung.
Unabdingbare Voraussetzung für qualitätsvolle Anrechnung ist zudem, dass die vorhandenen Kompetenzen sichtbar gemacht und mit Lernergebnissen der Studienprogramme abgeglichen werden können. Wie dies gelingen kann, möchte nexus auf der Tagung „Kompetenzen im Fokus: Instrumente für gute Anerkennung und Anrechnung“ am 23. und 24. Januar in Nürnberg diskutieren. Darüber hinaus möchten wir das Konzept der Kompetenzorientierung mit Ihnen zusammen auf der nächsten nexus-Jahrestagung am 27./28. März 2018 an der Humboldt Universität Berlin auf den Prüfstand stellen. Merken Sie sich den Termin bitte schon mal vor!
Erholsame Feiertage wünscht Ihnen |
Dr. Irene Seling |
| Dr. Irene Seling, stellv. Leiterin Abteilung Bildung, Berufliche Bildung Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) wünscht sich eine länderübergreifende Anrechnungsdatenbank.
Das Thema „Studieren ohne Abitur“ für beruflich Qualifizierte hat in den vergangenen Jahren formale Erleichterungen erfahren. Die reale Durchlässigkeit in die akademische Bildung hinein ist mit 2,8 Prozent der Studienanfängerinnen und -anfänger ohne Abitur (CHE, 2016) jedoch immer noch gering. Mangelnde berufsbegleitende Studienangebote gerade im Bachelorsegment werden häufig verursacht durch starre Strukturvorgaben der Länder. Sie verhindern einen bedarfsgerechten Ausbau.
Ebenso müssen die Hochschulen, wenn immer dies möglich ist, den von der Kultusministerkonferenz eröffneten rechtlichen Rahmen zur Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen auf bis zu 50 Prozent eines Studiengangs aktiver nutzen. Denn neben zeitlich und örtlich flexibel organisierten Angeboten kann auch die faire Anrechnung von außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen für beruflich Qualifizierte unnötige Wiederholungen in der Bildungsbiografie vermeiden und so die Durchlässigkeit in Richtung Hochschule verbessern. Pauschale Anrechnungsverfahren finden sich vor allem in den Studiengängen, die häufig durch Modellvorhaben wie ANKOM oder „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“ flankiert werden und sich explizit an beruflich Qualifizierte richten.
Jenseits der Modellprojekte stehen pauschale Verfahren in der Kritik, akademische Qualitätsanforderungen zu unterlaufen. Darum braucht die bisher sehr aufwändige Einzelfallanrechnung eine strukturelle Absicherung und klare Verankerung in den Hochschulen. Diese sollten Anrechnungsordnungen formulieren und Anrechnungsbeauftragte einsetzen. Ein gutes Instrument sind auch Anrechnungsdatenbanken. Ein Beispiel ist die im Oktober 2016 gestartete Anrechnungsdatenbank der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg, in die bereits 700 Anrechnungsentscheidungen eingepflegt wurden. Diese kann als Pilot für transparentere und schnellere Anrechnungsverfahren fungieren. Die Politik kann diesen Prozess durch Konsensbildung und Vereinheitlichung unterstützen und so dazu beitragen, Barrieren zwischen akademischer und beruflicher Bildung abzubauen. Mittelfristig sollte das Ziel eine länderübergreifende Anrechnungsdatenbank sein. |
Dr. Mario Stephan Seger |
| Sind die deutschen Hochschulen auf die zunehmende Bedeutung der Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen vorbereitet? Dr. Mario Stephan Seger, Projektmanager am Institut für Soziologie der TU Darmstadt, hat dazu Hochschulleitungen und leitende Beschäftigte in den Hochschulverwaltungen befragt.
Wo stehen die Hochschulen laut ihrer Studie in Sachen Anrechnung? Einzelne sind inzwischen sehr gut aufgestellt, andere auf einem guten Weg. Bis zur flächendeckenden Umsetzung von qualitätsgesicherter Anrechnung ist es aber noch ein weiter Weg. Da gibt es noch einige Hürden abzubauen.
Wo liegen die Herausforderungen? Unsere Untersuchung hat ergeben, dass 23 Prozent der Befragten an ihrer Hochschule das Fehlen klarer formaler Regeln feststellen, 42 Prozent sehen die inhaltlichen Kriterien noch nicht definiert. Oft schlägt das Thema erst über die Akkreditierung bei den Hochschulen auf. Gibt es Unterschiede zwischen Universität und Fachhochschulen? Die Unterschiede bestehen weniger in den formalen Voraussetzungen als in den Einstellungen. So glauben 71 Prozent der Befragten von Universitäten und 51 Prozent der Befragten von anderen Hochschulen, dass berufliche Kompetenzen ungeeignet sind, dem akademischen Niveau eines Studiengangmoduls gerecht zu werden. Allerdings gilt dabei nach meiner Wahrnehmung auch: Je weniger Erfahrung jemand mit Anrechnung gemacht hat, desto größer sind die Vorbehalte. Gerade Universitäten müssen Anrechnung noch stärker als gesellschaftlich relevante Aufgabe begreifen. Der Befürchtung, dass durch Anrechnung das generelle Bildungsniveau sinken könnte, kann mit dem Hinweis entgegengewirkt werden, dass qualitätsgesicherte Verfahren auch dokumentieren, warum eine Leistung nicht angerechnet werden kann.
Was ist jetzt zu tun, um Anrechnung voranzubringen? In einer weiteren Studie, die demnächst veröffentlicht wird, haben wir die Unterstützungsbedarfe von Hochschulen personalisiert abgefragt. Sehr groß ist das Interesse an hochschulübergreifenden Strukturen und Netzwerken. Besonders erfreulich für uns: Viele Hochschulen wünschen sich dies und haben großes Interesse daran geäußert, in Arbeitsgruppen aktiv mitzuwirken. In diesem Kontext gilt es nun, die Instrumente und Methoden, die in Modellprojekten entwickelt wurden, weiter zu verbreiten. Die datenbankbasierte Online-Anwendung, die von uns in Darmstadt im Rahmen des Projekts OPEN-IT entwickelt wurde, hat auch das Potenzial zur hochschulübergreifenden Nutzung – idealerweise im Rahmen einer bundesweiten Servicestelle zur Anrechnung.
Die vollständigen Studienergebnisse sind veröffentlicht in: Seger, Mario Stephan, Waldeyer, Christina und Leibinger, Christoph: Qualitätssicherung im Kontext der Anrechnung und Anerkennung von Lernergebnissen an Hochschulen. Standards für zuverlässige, transparente und einheitliche Verfahren, Prozesse und Kriterien, 2. aktualisierte und erweiterte Auflage, Aachen 2017. |
Abbruch in den Ingenieurwissenschaften: In vielen Fällen schreiben sich Studierende, die in einem Studiengang aufgeben, an anderen Hochschulen oder in einem anderen Fach ein.
Foto: Pixabay |
| An Universitäten ist die Studienabbruchquote in den Ingenieurwissenschaften niedriger als bisher angenommen. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie von acatech und TU9, für die hochschulinterne Daten aus fünf ingenieurwissenschaftlichen Studienfächern von zwölf Universitäten ausgewertet wurden. Die Autoren der Studie fordern unter anderem: größere Gestaltungsfreiheit für die Hochschulen, etwa bei der Zulassung zum Studium (Eignungsfeststellungsverfahren, verpflichtenden Online-Self-Assessments), der Anwesenheitspflicht für Studierende oder der Einführung einer Orientierungsprüfung nach dem zweiten Fachsemester. Die Erkenntnisse der Studie münden im acatech-Positionspapier „Studienabbruch in den Ingenieurwissenschaften“ (mehr). |
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| Wie soll es weitergehen mit der Akademisierung in den Gesundheitsfachberufen? Die Mitgliederversammlung der HRK hat Eckpunkte zur Entwicklung von Studiengängen in den Pflege-, Therapie- und Hebammenwissenschaften benannt. Für einen Teil der in den Gesundheitsfachberufen Tätigen ist nach Auffassung u. a. des Wissenschaftsrats eine hochschulische Primärqualifizierung erforderlich, weil die Entwicklungen im Gesundheitswesen zunehmend höhere Anforderungen an die Qualifizierung der dort Tätigen stellt.
Die HRK fordert die alleinige Verantwortung der Hochschulen für die Konzeption und Durchführung von grundständigen Studiengängen, um deren wissenschaftliche Fundierung sicherzustellen. Damit müssten auch Reformen im Berufsrecht einhergehen. „Die Berufsgesetze stammen teilweise noch aus den 70er Jahren und sind auf eine Ausbildung an Berufsfachschulen zugeschnitten“, so HRK-Präsident Prof. Dr. Horst Hippler. ( mehr) Text der Entschließung |
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| Trotz des neuen Rekords bei der Gesamtzahl der Studierenden sind die Zulassungsbeschränkungen an den deutschen Hochschulen wieder leicht (um einen Prozentpunkt) zurückgegangen. Das geht aus der neuesten Statistik der HRK hervor. Für das laufende Wintersemester 2017/18 waren 44,2 Prozent der über 10.000 grundständigen Studienangebote zulassungsbeschränkt. Ein Jahr zuvor waren es noch 45,2 Prozent. Damit konnten die Hochschulen den Trend der letzten Jahre fortsetzen. Der Anteil der Studienmöglichkeiten, die zu den Abschlüssen Bachelor oder Master führen, hat sich stabil bei über 91 Prozent eingependelt. Der Rest fällt überwiegend auf die staatlichen oder kirchlichen Abschlüsse.
Die HRK-Publikation Statistische Daten zu Studienangeboten an Hochschulen in Deutschland – Wintersemester 2017/2018 enthält umfangreiches Datenmaterial rund um das Studium in Deutschland und kann hier bestellt werden. |
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| Die neue Handreichung der Runden Tische Wirtschaftswissenschaften und Anerkennung will die Hochschulen ermutigen, qualitätsgesicherte Anrechnungsverfahren hochschulweit zu nutzen. Hierzu werden aktuelle Entwicklungen aus der Hochschulpraxis aufgegriffen und exemplarische Lösungswege auch mit Hilfe guter Beispiele aus den Hochschulen aufgezeigt. Neben knappen Begriffsdefinitionen und einem kurzen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen steht die Vermittlung von praxisnahen Informationen zur Einschätzung und Nutzung vorhandener Kompetenzen im Mittelpunkt. Anrechnungsverfahren sollten so an Hochschulen implementiert werden, dass die Prozesse und Entscheidungen nachvollziehbar und reproduzierbar sind. Subjektive und willkürlich erscheinende Verfahren sollen ausgeschlossen werden. Hierzu erhalten die Hochschulen Hinweise auf bewährte Strukturen und Instrumente (Anrechnungszentren, Anrechnungsbeauftragte etc.), die sich für die Qualitätssicherung von Anrechnungsprozessen als förderlich erwiesen haben.
Download: PDF (28 Seiten, 2,55 MB) Printausgabe: hier bestellen |
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| In einer neuen Handreichung stellt der Runde Tisch Ingenieurwissenschaften des Projekts nexus Ansätze und Maßnahmen zur Gestaltung der curricularen Lehre vor, die sich innerhalb eines existierenden Fachcurriculums leicht umsetzen lassen. Diese Handreichung wendet sich sowohl an Lehrende, die ihre Lehre kritisch reflektieren und weiterentwickeln wollen, als auch an Akteure in den Hochschulleitungen, die innovative Lehrprojekte fördern und somit mittelfristig zu einem Wandel der Lehr-/Lernkultur beitragen möchten. ( mehr)
Download: PDF (20 Seiten, 1,4 MB) Printausgabe: per Mail bestellen |
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| Seit Januar 2017 unterstützt ein zentraler PLAR-Service („Prior Learning Assessment and Recognition“) an der Universität Oldenburg Studierende, die ihre außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen anrechnen lassen möchten. Die Service-Stelle arbeitet in enger Kooperation mit dem akademischen Prüfungsamt und dem Center für lebenslanges Lernen. Studierende aller Fächer werden angeleitet, ihre Kompetenzen in einem Anrechnungsportfolio darzustellen und nachzuweisen. Die Entscheidung über die Anrechnung wird anschließend durch Fachvertretungen in den Fakultäten getroffen. Die Anrechnung kann sich sowohl auf Lernergebnisse aus formellen Aus-, Fort- und Weiterbildungen als auch auf non-formale und informelle Lernkontexte beziehen. Eine wesentliche Aufgabe des PLAR-Service ist auch die Anleitung und Unterstützung der Fachvertretungen, die die in den Portfolios nachgewiesenen Kompetenzen hinsichtlich ihrer Gleichwertigkeit mit den Lernergebnissen der Studienmodule beurteilen müssen. www.uni-oldenburg.de/plar/ |
Foto: nexus |
| Frage an nexus: Für einen Weiterbildungsmaster müssen zwei Jahre Berufserfahrung nachgewiesen werden. Können Teile dieser Berufserfahrung auch auf das Curriculum an sich angerechnet werden? Wie viele Credits könnten bei einem Master angerechnet werden, der 60 Credits umfasst?
Antwort von nexus: Eine „doppelte“ Anrechnung ist gemäß der KMK-Strukturvorgaben möglich. Folglich kann eine Leistung, die Teil der Zugangsvoraussetzungen ist, ebenso als Teilleistung im Studiengang angerechnet werden, wenn die erworbenen Kompetenzen gleichwertig sind. Die meisten Landeshochschulgesetze sehen eine Begrenzung der Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen von maximal der Hälfte der im Studiengang zu erwerbenden Leistungspunkte vor. In diesem Fall könnten also 30 Credits durch berufliche Qualifikationen oder Berufserfahrung ersetzt werden. Die Anrechnung von vorher erworbenen Kompetenzen erfolgt i.d.R. nach der Immatrikulation. |
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| Praktika und Praxisbezüge als wichtige Bestandteile eines kompetenzorientierten Studiums standen im Zentrum einer nexus Tagung Ende November an der Goethe-Universität Frankfurt. In seiner Eröffnung betonte der ehemalige HRK-Vizepräsident Joachim Metzner, dass sinnvoll ins Curriculum integrierte Praktika „die Zusammenhänge zwischen einer auf Anwendungsbezüge achtenden Lehre und einer wissenschaftlich reflektierten Beschäftigungsbefähigung deutlich machen und Verschränkungen herstellen“. In den Diskussionen wurde unter anderem deutlich, dass es fachspezifisch große Unterschiede vor allem zwischen Studienfächern mit und solchen ohne konkreten Berufsbezeichnungen und -orientierungen gibt. ( mehr). |
Die Vorsitzenden der Runden Tische diskutieren mit nexus-Projektleiter Christian Tauch. |
| Nach wie vor sei die Lehre oftmals zu stark an Wissensvermittlung ausgerichtet – so lautete ein Fazit der Runden Tische des HRK-Projekts nexus auf ihrer gemeinsamen Wintertagung in Berlin. Die Expertinnen und Experten aus Medizin- und Gesundheitswissenschaften, Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften sowie zur Anerkennung setzten sich ebenso mit der Kritik am teilweise inflationär gebrauchten Kompetenzbegriff auseinander und forderten, dass Kompetenz-orientierung in den Hochschulen nicht nur in Modulhandbüchern, sondern auch im Alltag des „forschenden Lernens“ gelebt werden müsse. Dazu liefere der 2017 von HRK und KMK in einer überarbeiteten Fassung verabschiedete HQR wichtige Impulse. Im Rahmen der Tagung führten die Runden Tische ihr Arbeitsprogramm fort und vereinbarten nächste Schritte ( mehr). |
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| 23. und 24. Januar 2018 Kompetenzen im Fokus: Instrumente für gute Anerkennung und Anrechnung an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm
20. Februar 2018 Medizin und Gesundheitsfachberufe: Interprofessionalität fördern und Übergänge gestalten in der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Universität München
Save the Date nexus-Jahrestagung "Kompetenzorientierung auf dem Prüfstand" am 27./28. März 2018 an der Humboldt Universität Berlin |
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| Projekt nexus - Übergänge gestalten, Studienerfolg verbessern der Hochschulrektorenkonferenz, Ahrstraße 39, 53175 Bonn
Telefon: 0228 / 887-198
E-Mail: nexus@hrk.de
Internet: www.hrk-nexus.de
Redaktion: Dorothee Fricke
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