Das Projekt nexus ist seit dem 30. April 2020 abgeschlossen. Alle Informationen und Texte entsprechen dem Stand zum Projektende und werden nicht weiter aktualisiert. Mit dem Themenbereich Anrechnung und Anerkennung befasst sich das aktuelle HRK-Projekt MODUS und für Studierende die Infoseite AN!.

20 Jahre Lissabon-Konvention: Quo vadis Anerkennung?

11. April 2017, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Mit der Fachtagung „20 Jahre Lissabon-Konvention: Quo vadis Anerkennung“ feierte das HRK- Projekt nexus zusammen mit der Kultusministerkonferenz (KMK) das 20-jährige Bestehen der Lissabon-Konvention, dem „Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region“.

In ihrer Begrüßung betonte Prof. Dr. Mechthild Dreyer (Universität Mainz), dass durch die Lissabon-Konvention Anerkennung von der Ausnahme zum Regelfall geworden und sie durch die deutsche Ratifizierung (2007) zu einem wichtigen Meilenstein bei der Förderung der studentischen Mobilität geworden sei. Durch die Ausweitung des Geltungsbereiches der Konvention durch die KMK auf alle hochschulischen Leistungen, die im In- und Ausland erbracht wurden, sei das Thema zu einem zentralen Handlungsfeld für die Hochschulen geworden.

Heidi Weidenbach-Mattar (KMK) unterstrich, dass die Lissabon-Konvention die Tür für eine neue Anerkennungskultur weit aufgestoßen habe. Die Konvention hätte sich als stabile Basis erwiesen, da sie auch weltweit als Blaupause für ähnliche Abkommen dient.

Katherine Latta (UK NARIC) gab in ihrem Vortrag einen historischen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Lissabon-Konvention in Europa bis zur Gegenwart. Aufgrund der Entwicklungen in der europäischen Hochschullandschaft sei die Anzahl internationaler Studierender europaweit stark gestiegen. Latta betonte, dass die Mitgliedsländer der Konvention sich noch deutlich unterscheiden würden, was den Stand der Umsetzung der Lissabon-Konvention anginge. Mit Blick auf die globale Anerkennungskonvention, die derzeit von der UNESCO erarbeitet wird, sagte Latta, dass Länder, die noch keine Anerkennungszentren besitzen oder bislang nur geringe Fortschritte in der Umsetzung verzeichnen können, besondere Unterstützung bräuchten. Unerlässliche Voraussetzung für eine solche Konvention sei aber das gegenseitige Vertrauen in andere Qualifikationen. Für die Hochschulen sei die größte Herausforderung im Zusammenhang mit Anerkennung die Bereitstellung von Ressourcen, also Personal, das die Bewertungen vornimmt und die Studierenden berät sowie das Wissensmanagement für eine nachhaltige Entwicklung der Anerkennungspraxis.

Prof. Dr. Ulrich Bartosch (Universität Eichstätt-Ingolstadt) plädierte in seinem Vortrag „Anerkennung im Wandel: Auswirkungen für die Hochschulen“ dafür, dass die Anerkennung von extern erbrachten Studienleistungen ein gewünschter Regelfall sein sollte und die Hochschulen für eine „Willkommenskultur“ werben sollten. Dreh- und Angelpunkt bei Fragen der Anerkennung seien die Lernergebnisse. Das Kernproblem in diesem Zusammenhang sei, dass die Hochschulen wissen müssten, was sie tun. Nur daraus könne Transparenz in der Anerkennung entstehen. Letztendlich könne die Lissabon-Konvention und damit auch Anerkennungspraxis als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes zu einem Verständnis von Hochschulbildung beitragen, in welchem dieser „eine wesentliche Rolle bei der Förderung des Friedens, des gegenseitigen Verständnisses und der Toleranz sowie bei der Schaffung gegenseitigen Vertrauens zwischen den Völkern und Nationen“ zukomme.

Ein reger Austausch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern fand im World Café zum Thema „Auswirkungen der Lissabon-Konvention auf verschiedene Aspekte in Lehre und Studium“ statt. Hierbei wurden u.a. Themen wie internationale Mobilität, Begrenzung von Anerkennung, Studiengangsdesign, globale Konvention, Datenbanken sowie die Rolle von Anerkennungsbeauftragten und die Anerkennung von Fehlversuchen im Hinblick auf Herausforderungen und Erkenntnisse vertieft.  

Prof. Dr. med. Wolfgang Huhn (Fachhochschule Kiel) stellte die Hypothese auf, dass Anerkennungsprozesse häufiger oder besser gelingen würden, wenn möglichst viele am Prozess beteiligte Personen sich bewusst wären, dass bei strittigen Anerkennungsentscheidungen oft Unsicherheit oder Ängstlichkeit gepaart mit Ungewissheit und mitunter sogar narzisstischer Kränkung eine Rolle spielten. Helfen könne ein klares Regelwerk (Satzung) als Grundlage für die Entscheider mit Aufgaben und Verantwortungsklärung und gleichzeitiger Reduzierung des Verwaltungsaufwandes. Auch stellen die Entwicklung eines Prozessmodells mit Anwendungshilfen wie einer Handreichung und einfachem Formularwesen, sowie Informations- und Schulungsmaßnahmen zu den übergeordneten kulturellen und strategischen Zielen der Hochschule mit den Stakeholdern gute Lösungsansätze dar. Individuelle Beratung vor der Antragstellung, gute Dokumentation und wo möglich – Konsortial- oder Kooperationsverträge mit beteiligten Institutionen würden Anerkennungsprozesse erleichtern. In der Frage der Studienganggestaltung stünden sich die Forderungen nach Polyvalenz und Profilierung entgegen. Dies sei nur durch ein Re-Design von Studiengängen zu lösen. Letztlich stünde bei der Anerkennung auch die Frage im Vordergrund, ob eine Anerkennung im Sinne des Antragstellers sei und welches Risiko eine Anerkennung birgt.

Dass internationale akademische Anerkennung den Studierenden nutze und zudem wichtig für die strategische Ausrichtung der Universität Leipzig sei, erläuterte Dr. Isabelle Maringer (Universität Leipzig). Fachlich würden die Studierenden von der größeren Diversität wissenschaftlicher Angebote, die bei gesicherter Anerkennung als studienrelevante Leistungen in den Studienablauf integrierbar sind, profitieren. Der strategische Nutzen ergebe sich durch das gesteigerte internationale Ansehen der Hochschule über die Teilhabe an Netzwerkverbünden. Frau Maringer unterstrich, dass die Erfolgsfaktoren auf dem Weg zur guten Anerkennungspraxis der Aufbau von Expertise, die Dokumentation und der Transfer guter Beispiele, die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, d.h. die enge Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und den Fachbereichen sowie die interne Vernetzung und die Kommunikation seien.

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion mit Simone El Bahi (KMK), MinDirig Peter Greisler (BMBF), Prof. Dr. Thomas Hoffmeister (Universität Bremen) und Lea Meister (European Students‘ Union) zu den zukünftigen Herausforderungen der Anerkennung an Hochschulen, waren sich die Podiumsteilnehmer einig, dass man sich mitten in einem Kulturwandel befinde und man diesen weiter vorantreiben müsse. Hierzu gehöre es auch, großzügiger mit der Anerkennung umzugehen: Man solle sich bei der Anerkennungsentscheidung stärker bewusst machen, was tatsächlich das Beste für die Studierenden und die Hochschule sei. Wünschenswert wäre es, eine „gemeinsame“ Entscheidung zu treffen. Lea Meister betonte zudem, dass man nicht nur den Leistungen der Studierenden mehr Vertrauen entgegenbringen solle, sondern auch den Hochschulen im Europäischem Hochschulraum, um Anerkennung zu erleichtern. Außerdem würde es den Studierenden helfen, wenn die Hochschulen die Anerkennungsprozesse transparent und verständlich darstellen und Informationsveranstaltungen anbieten, in denen z.B. das Learning Agreement erklärt wird.


Vortragsfolien

Recognition in Europe
Katherine Latta, UK NARIC

Anerkennung im Wandel: Auswirkungen für die Hochschulen
Prof. Dr. Ulrich Bartosch, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Gute Praxis: Anerkennungs- und Anrechnungsverfahren
Prof. Dr. med. Wolfgang Huhn, Fachhochschule Kiel

Gute Praxis: Anerkennung im Ausland erbrachter Studienleistungen
Dr. Isabelle Maringer, Universität Leipzig


Graphic Recording

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Fotodokumentation World Café

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