Das Projekt nexus ist seit dem 30. April 2020 abgeschlossen. Alle Informationen und Texte entsprechen dem Stand zum Projektende und werden nicht weiter aktualisiert. Mit dem Themenbereich Anrechnung und Anerkennung befasst sich das aktuelle HRK-Projekt MODUS und für Studierende die Infoseite AN!.

Tagung "Studentische Mobilität Fördern! Herausforderungen und Chancen der Anerkennungspraxis an Hochschulen", 02. Juli 2013, Berlin

Das "Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region“, die sogenannte Lissabon-Konvention, ist das grundlegende Dokument für die An­erkennung von im Ausland erworbenen Studien- und Prüfungsleistungen. Sie bedeutet eine markante Zäsur der bisherigen Aner­kennungs­praxis und sie stellt die Hochschulen vor große Herausforde-rungen.

Die Tagung widmete sich daher den entscheidenden Fragestellungen, welche sich bei der Umsetzung der Lissabon-Konvention für die Hochschulen ergeben. Ein zentrales Ergebnis der Veranstaltung war, dass die Umsetzung von Lissabon zwar mehr Transparenz, Verlässlichkeit und Verbindlichkeit in den Anerkennungsverfahren sowie die Förderung studentischer Mobilität verspricht, in vielen Bereichen aber weiterhin Informationsbedarf hinsichtlich der adäquaten Umsetzung der Lissabon-Konvention besteht.

So wurde in den verschiedenen Workshops herausgestellt, dass der Kenntnisstand zur Konvention teilweise noch nicht ausreichend ist und die Sensibilisierung aller Beteiligten bezüglich der mit Lissabon einhergehenden Neuerungen (z.B. wesentlicher Unterschied und Beweislastumkehr) weiter vorangetrieben werden müsse.

Zudem wurde deutlich, dass die Umsetzung eines Kernaspekts der Lissabon-Konvention, namentlich die Fokussierung auf Lernergebnisse und Kompetenzen bei der Anerkennungsprüfung, angesichts teilweise fehlender oder unzureichender Angaben in Modulbeschreibungen und Studienprogrammen eine große Herausforderung darstellt.

Nicht zuletzt wurde argumentiert, dass dem Thema Anerkennung eine größere Priorität bei der hochschulischen Strategie- und Entwicklungsplanung eingeräumt werden müsse. Eine ausreichende Finanzierung für die mit der Anerkennung betrauten Hochschulangehörigen sei zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung der Lissabon-Konvention, welche mit einem teilweise erheblichen Mehraufwand verbunden ist.

Die zentralen Ergebnisse der Impulsvorträge sowie der Workshops stehen in den folgenden drop-down Menüs zur Verfügung. Alle Impulsvorträge können in der Seitenleiste eingesehen werden. Hier finden Sie zudem das Tagungsprogramm, Impressionen von der Tagung sowie Materialien zur Anerkennung.


Impulse Vormittag

Nach der Einleitung von Herrn Prof. Dr. Holger Burckhart, HRK-Vizepräsident für Lehre, Studium, Lehrerbildung und Weiterbildung, fanden am Vormittag zunächst vier Impulsvorträge statt, welche die Perspektiven der unterschiedlichen hochschulischen Akteure auf die Anerkennungspraxis verdeutlichten.

Einleitung Burckhart
Herr Burckhart stellte die Vorteile studentischer Mobilität in den Mittelpunkt seiner Einführung. So betonte er den positiven Einfluss von Auslandsaufenthalten auf die Persönlich­keits­ent­wicklung, sowie den Erwerb von überfachlichen Kompetenzen, wie z.B. interkulturelle Kompetenz, Eigen­ständig­keit, Anpassungsfähigkeit, Selbstvertrauen oder Belastungsfähigkeit. Durch den Austausch solle zudem das gegenseitige Verständnis, die Toleranz sowie das gegenseitige Vertrauen zwischen den Nationen gefördert werden.

Vortrag Jost
Frau Prof. Dr. Christiane Jost, Vizepräsidentin der Hochschule RheinMain in Wiesbaden, skizzierte die Perspektive der Hochschulleitungen auf die Anerkennungspraxis nach Lissabon. Nach einer kurzen Einleitung zu den Inhalten der Lissabon-Konvention sprach Frau Jost einige Spannungsfelder hinsichtlich der Umsetzung von Lissabon an:
Ist die Lissabon-Konvention, wie im KMK-Beschluss von Dezember 2012 dargelegt, auch auf die Anerkennung bei Studienortwechseln im Inland anzuwenden?

Wie ist die Maßgabe der flexiblen und großzügigen Anerkennung mit der Profilbildung und Qualitätssicherung der eigenen Hochschule zu vereinbaren? Wie ist die Vorgabe, Anerkennungsverfahren sollten durchschaubar, einheitlich und zuverlässig sein, mit der Pluralität der Fächerkulturen und der unterschiedlichen Interessen der Hochschulakteure zu vereinen?

Zentrales Fazit von Frau Jost war, dass die Neuerungen der Lissabon-Konvention und ihre Umsetzung das Potential haben, die deutsche Hochschullandschaft nachhaltig zu verändern.

Vortrag Bartosch
Herr Prof. Dr. Ulrich Bartosch erläuterte zunächst das Kriterium des wesentlichen Unterschieds. Hierbei hob er in Anlehnung an den Leitfaden des Projekts nexus hervor, dass das Kriterium die "Akzeptanz von Unterschieden als Wesensmerkmal andernorts erbrachter Studien- und Prüfungsleistungen" impliziere. Anschließend legte Herr Bartosch dar, wie die Lernergebnisorientierung in der Anerkennungsprüfung auszulegen ist.

Wenn Lernergebnisse im Mittelpunkt der Anerkennung stehen sollen, dann ist die Voraussetzung für die Realisierung dieses Ziels eine flexible Studiengangsgestaltung und Modularisierung, die Auslandsaufenthalte ermöglicht und fördert. Die Verantwortung der Studiengangsgestalter sei es dabei, das "Studium als individuellen erfolgreichen Lern- und Bildungsweg in angemessener Zeit zu ermöglichen und die vorhandenen Qualifikationen bestätigen zu können".

Abschließend erläuterte Herr Bartosch noch den Einsatz von Fachqualifikationsrahmen sowie die Schwierigkeit, im Studienverlauf zwischen Anfangs- und Endprofil eine adäquate Prüfung der zu erreichenden Lernergebnisse und Kompetenzen vorzunehmen.

Vortrag Simon
Herr Bastian Simon, Justiziar der Universität Bielefeld, beleuchtete die Lissabon Konvention aus Sicht der Verwaltung. Ein zentraler Teil seines Vortrags behandelte die Frage, welche Veränderungen sich gerade in rechtlicher Hinsicht durch das Inkrafttreten der Lissabon-Konvention ergeben haben. Herr Simon hob hervor, dass zentrale Inhalte der Lissabon-Konvention bereits vor ihrer Ratifizierung in ähnlicher Weise in Deutschland rechtlich implementiert waren, wie etwa das gegen ablehnende Bescheide Widerspruch eingelegt werden kann, ablehnende Verwaltungsakte begründet- und Verfahren in einem angemessen Zeitraum durchgeführt werden müssen.

Gravierende Veränderungen habe die Lissabon-Konvention hinsichtlich des Anerkennungskriteriums (wesentlicher Unterschied) gebracht sowie durch die Beweislastumkehr und die Fokussierung auf Lernergebnisse bei der Anerkennungsprüfung. Eine zentrale Herausforderung und Chance für Hochschulverwaltungen sieht Herr Simon darin, durch die Gestaltung von (Verfahrens-)Abläufen einen Beitrag zum Gelingen und zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes bei Anerkennungsprüfungen zu schaffen.

Vortrag Mahrt
Frau Katharina Mahrt, Mitglied des Vorstands im freien zusammenschluss von studentInnenschaften, skizzierte in ihrem Vortrag zunächst die Erwartungen an Lissabon von Studierendenseite. Unter anderem sollte mit der Ratifizierung der Lissabon-Konvention eine klare Gesetzeslage geschaffen und der Anerkennungsprozess vereinfacht werden. Dem stellte Frau Mahrt die Ergebnisse einer DAAD-Studie von 2011 gegenüber, der zufolge z.B. von 25% der Befragten, die ein Auslandsstudium absolviert hatten, Studienleistungen nicht vollständig oder gar nicht anerkannt wurden.

Des Weiteren führte Frau Mahrt aus, dass der Kenntnisstand etwa zur Beweislastumkehr als auch hinsichtlich der Verfahren und Verantwortlichkeiten im Anerkennungsprozess nach Lissabon noch nicht ausreichend sei. Zudem sei die Kompetenzorientierung bei der Anerkennungsprüfung nicht hinreichend verankert. Zuletzt plädierte Frau Mahrt für die Abschaffung von Anerkennungsobergrenzen. 

Abschlussdiskussion Vormittag
In der Abschlussdiskussion wurden vorrangig zwei strittige Themen behandelt: Zum einen wurde die Vorgabe der Lernergebnis- und Kompetenzorientierung diskutiert. Um diese zu realisieren, bedarf es der eindeutigen Benennung von Lernergebnissen in den Studien- und Modulbeschreibungen. Nur so ließe sich die avisierte Verlässlichkeit und Verbindlichkeit von Anerkennungsprüfungen realisieren, die dann unabhängig von Einzelfallprüfungen vorrangig mit der Analyse der erworbenen Lernergebnisse befasst wäre.

Zum anderen wurde die Frage der sog. Anerkennungsobergrenzen diskutiert. Diese Grenzen seien rechtlich sehr umstritten, andererseits sei eine Abschaffung gänzlicher Obergrenzen für die Hochschulen ebenfalls hochstrittig.

Herr Burckhart appellierte abschließend, die Kompetenzorientierung in den Mittelpunkt der Anerkennungsprüfung als auch der Studienganggestaltung zu stellen, sowie die Selbstgestaltungskräfte der Hochschulen wahrzunehmen.


Ergebnisse Workshops

Am Nachmittag wurde den Teilnehmern die Möglichkeit geboten, sich in vier Workshops über Kernaspekte im Zusammenhang mit der Lissabon-Konvention auszutauschen. Im Einzelnen waren dies: „Good Practice - Anerkennungsprozesse transparent gestalten“, „Wesentlicher Unterschied“ und „Beweislastumkehr“, „Kriterien für die Anerkennung: Kompetenzen und Lernergebnisse“ sowie „Erfahrungen mit Instrumenten zur Erleichterung der Anerkennung“. Die Ergebnisse aus den einzelnen Workshops sind im Folgenden zusammengefasst. Der Gruppenarbeit in den Workshops waren jeweils einführende Impulse vorangestellt. Diese stehen in der Seitenleiste unter „downloads“ zur Ansicht bereit.

Workshop 1: Good Practice - Anerkennungsprozesse transparent gestalten 
Zur Frage, was der Begriff „Transparenz“ im Zusammenhang der Anerkennung bedeutet, hielten die Teilnehmer fest, dass hierunter u.a. zu verstehen sei, Prozesse zu definieren und diese zu kommunizieren. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Transparenz Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit schafft. Transparenz in Anerkennungsverfahren sei zu gewährleisten, indem Materialien wie Checklisten und Formulare eingesetzt werden, Informationen zum Verfahren bereitgestellt werden, Beschwerdestellen eingerichtet und externe Experten miteinbezogen werden. Hürden bei der Anforderung, transparente Verfahren zu schaffen, sahen die Teilnehmer vor allem hinsichtlich des Informationsdefizits zur Lissabon-Konvention und der teilweise unzureichenden Beschreibung von Studienmodulen in den Fachbereichen.

Workshop 2: „Wesentlicher Unterschied“ und „Beweislastumkehr“
Ein Ergebnis des Workshops 2 war, dass bisher kein einheitlicher Kenntnisstand zur Lissabon-Konvention geschaffen werden konnte und daher teilweise ein erhebliches Informationsdefizit besteht. Dies bedingt auch, dass der gebotene Paradigmenwechsel von der Gleichwertigkeit zum wesentlichen Unterschied mitunter noch nicht internalisiert wurde. Andererseits wurde festgehalten, dass die erfolgreiche Implementierung der Lissabon-Konvention die Chance für mehr Anerkennungsspielraum und die Förderung studentischer Mobilität bietet.

Workshop 3: Kriterien für die Anerkennung: Kompetenzen und Lernergebnisse
Die Teilnehmer in Workshop 3 beschäftigten sich zunächst mit der Frage, wie die Anforderung, den Schwerpunkt der Anerkennungsprüfung auf Lernergebnisse zu legen, erfolgreich realisiert werden könne. Hierzu müsse das Studiengangdesign anrechnungsfreundlich gestaltet werden und Anerkennungsprozesse dokumentiert werden, z.B. durch sog. Anerkennungsdatenbanken. Herausforderungen hinsichtlich dieser Anforderung sahen die Teilnehmer u.a. hinsichtlich der notwendigen Sensibilisierung aller Beteiligten in den Fachbereichen für die lernergebnisorientierte Anerkennungsprüfung. In dieser Schwerpunktsetzung auf Lernergebnisse erkannten die Teilnehmenden andererseits die Chance für mehr Vielfalt, Diversität und Flexibilität. Zudem sei die erfolgreiche Kompetenzorientierung nichts anderes als die aktive Förderung des Qualitätsmanagements.

Workshop 4: Erfahrungen mit Instrumenten zur Erleichterung der Anerkennung
Die Teilnehmer diskutierten mögliche hilfreiche Instrumente zur Anerkennung wie etwa die Einrichtung von Mobilitätsfenstern im Studienverlauf, Doppelabschlüsse und Kooperationen, die Errichtung von Anerkennungsdatenbanken sowie die Erarbeitung von innerhochschulischen Leitfäden. Bei allen Instrumenten, die zur Erleichterung der Anerkennung eingesetzt werden können, sei eine möglichst klare Kommunikation zwischen allen am Prozess Beteiligten (HS-Leitung, Fakultäten, Verwaltung, Studie­rende)  notwendig. Hilfreich sei zudem, so die Teilnehmenden, hochschulintern einen zentralen Ansprechpartner bzw. eine Koordinationsstelle für Anerkennungsfragen zu schaffen.