Prof. Dr. Susanne Rupp, Vizepräsidentin der Universität Hamburg
Das Projekt nexus ist seit dem 30. April 2020 abgeschlossen. Alle Informationen und Texte entsprechen dem Stand zum Projektende und werden nicht weiter aktualisiert. Mit dem Themenbereich Anrechnung und Anerkennung befasst sich das aktuelle HRK-Projekt MODUS und für Studierende die Infoseite AN!.
Die Studieneingangsphase ist im Umbruch. Studierende bringen vielfältige soziale und biographische Voraussetzungen sowie unterschiedliche Kompetenzen mit. Damit Hochschulen dem besser gerecht werden und individuellen Studienerfolg von Anfang an fördern können, werden für den Übergang von der Schule oder Berufsausbildung zur Hochschule bis hin zum zweiten Semester bundesweit eine Vielzahl an Projekten, Angeboten und Maßnahmen innerhalb und außerhalb des Qualitätspakts Lehre entwickelt.
Bei der mit etwa 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stark nachgefragten, in Kooperation mit dem StuFHe-Projekt der Universität Hamburg veranstalteten Tagung ‚Die Studieneingangsphase im Umbruch. Von der Vielfalt an Angeboten zu einem Modell“ ging es am 30. Oktober um die Leitfrage, welche Modelle in der Studieneingangsphase sich bewährt haben und ob sich diese auf andere Hochschulen übertragen lassen. Grundlage für die intensive, aber alles in allem nicht-kontroverse Diskussion in insgesamt vier Fachforen war ein vom Projekt nexus in Auftrag gegebenes Fachgutachten von CHE-Consult, aus dem Anregungen zur Umgestaltung der Studieneingangsphase abgeleitet wurden.
HRK-Generalsekretär Dr. Jens-Peter Gaul ordnete das Thema in die aktuelle hochschulpolitische Agenda ein und hob in seiner Eröffnung hervor, dass es in der Studieneingangsphase im Kern darum gehe, Orientierungshilfen für einen guten Start und ein erfolgreiches Studium zu bieten. Gleichzeitig sei es wichtig, „dass Hochschulen ihre Studierenden in deren Persönlichkeitsentwicklung unterstützen und sie dazu befähigen, das leisten zu können, was die Gesellschaft von Akademikerinnen und Akademikern erwartet: Den Einsatz von fundiertem Wissen und Können beim Entwickeln von Lösungsansätzen für drängende Fragen unserer Zeit.“
„Für Studierende ist das Studium einfacher zugänglich, wenn es in der Eingangsphase nicht nur zahlreiche Angebote, sondern auch eine erkennbare Struktur gibt“, erläuterte Dr. Elke Bosse, die das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Projekt „Studierfähigkeit - institutionelle Förderung und studienrelevante Heterogenität“ (StuFHe) an der Universität Hamburg leitet. In ihrem Impulsvortrag gab sie einen ersten Einblick in die Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre. In den anschließenden vier Fachforen wurden Bedarfsanalysen und Zielgruppen, institutionelle Strategien, Organisation und Curricula sowie Formate und Gestaltung diskutiert. Anhand von Praxisbeispielen, die Studierende kommentierten, identifizierten die Teilnehmenden weitere Gelingensbedingungen und mögliche Hürden für Projekte und Maßnahmen.
Zu diesen relevanten Erfolgsfaktoren, die im Laufe der Tagung herausgearbeitet wurden, zählen auskömmliche finanzielle und personelle Ressourcen, die Größe der Hochschulen, gut funktionierende Netzwerke von Wissenschaft, Verwaltung und Studierenden an den Hochschulen sowie transparente und partizipative Entwicklungsprozesse für Projekte und Maßnahmen, damit diese auch im Alltag greifen können.
Neben einer fachbezogenen Gestaltung der Studieneingangsphase und einer Verknüpfung mit etwa aktivierenden Lehr- und Lernkonzepten und der fachkulturellen Integration von Schlüsselkompetenzen sei auch ein disziplinenübergreifender Vergleich hilfreich, so die Diskussion. Die Expertinnen und Experten waren sich am Ende einig: „Wenn es uns noch um ‚Bildung durch Wissenschaft‘ geht, dann brauchen wir dazu auch alle unsere Wissenschaftler und deren authentisches Interesse an der eigenen Lehre, auch wenn die aus didaktischer Sicht immer irgendwie mangelhaft, nicht perfekt oder auch nicht ‚professionell‘ genug erscheinen mag,“ fasste es Prof. Dr. Gabi Reinmann, Leiterin des Zentrums für universitäres Lehren und Lernen an der Universität Hamburg, zusammen.
Wir dokumentieren nachfolgend anhand der Abstracts sowie vereinzelt Präsentationen der Referentinnen und Referenten die Tagung.
Prof. Dr. Susanne Rupp, Vizepräsidentin der Universität Hamburg
Dr. Jens-Peter Gaul, Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz
Dr. Elke Bosse, Universität Hamburg
In Folge gezielter Förderinitiativen zur Weiterentwicklung der Studieneingangsphase hat sich eine neue Vielfalt an Maßnahmen ergeben, die den Übergang an die Hochschulen erleichtern und Studienerfolg fördern sollen. In dieser Vielfalt zeichnen sich erste Ansätze ab, die Einzelmaßnahmen in Form von Gesamtkonzepten für bestimmte Studiengänge, Fakultäten oder ganze Hochschulen systemisch miteinander verbinden. Um die Besonderheiten entsprechender Praxisbeispiele einordnen und auf potentiell übertragbare Merkmale prüfen zu können, gibt der Vortrag zunächst einen systematischen Überblick zu den aktuellen Angeboten für den Studieneinstieg und stellt abschließend Perspektiven für die Entwicklung von Modellen für die Studieneingangsphase zur Diskussion. Als Grundlage des Vortrags dienen ausgewählte Ergebnisse aus der Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre im BMBF-Projekt StuFHe, die mit Bezug zum internationalen Forschungsstand zur Studieneingangsphase vorgestellt werden.
|| Prof. Dr. Uwe Schmidt, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Im Rahmen des Qualitätspakts Lehre wird eine Vielzahl an Einzelmaßnahmen gefördert, die sich insbesondere auf die Studieneingangsphase beziehen. Ziel hierbei ist unter anderem, Ideen pilothaft zu implementieren, um sie anschließend im Sinne von Nachhaltigkeit innerhalb der Hochschule auf andere Bereiche zu übertragen bzw. zu transferieren.
Unter Transfer wird im Hochschulkontext in der Regel die Verbreitung von wissenschaftlichen Evidenzen in außerhochschulische Bereiche verstanden – sei es in Form von öffentlichen Vorträgen oder in Form von konkretem Anwendungsbezug.
Transfer wird allerdings zunehmend auch im Rahmen von Projekten und Innovationen innerhalb des Hochschul- und Wissenschaftssystems zum Thema. Die leitende Idee ist hierbei, dass man beispielsweise durch Projektförderung gleichsam einen Stein ins Wasser wirft, der weite Kreise zieht und die gesamte Hochschule erfasst. Häufig aber zeigt die Realität eher einen Stein, der nach einem kurzen, zuweilen heftigen Aufspritzen lautlos versinkt. Die Überlegung, dass mit punktueller Projektförderung ein ‚Flächenbrand‘ erzeugt wird, der Innovation verbreitet, scheint nicht im gewünschten Maße zu funktionieren.
Woran liegt das? Hochschulen lassen sich als besondere Organisationen verstehen, die lose gekoppelt sind, und in denen Fächer nur vergleichsweise schwache Abhängigkeiten zueinander aufweisen. Veränderungen in einem sprachwissenschaftlichen Studiengang haben in der Regel keinen Einfluss auf die Entwicklung naturwissenschaftlicher Studiengänge und umgekehrt. Diese schwache Kopplung hat gewisse Vorteile, da auf diese Weise Veränderungen einfacher und weniger interdependent sind. Für den Transfer von Ideen und Innovationen verweist dies allerdings auch auf besondere Hürden, soweit Transfer innerhalb einer Hochschule angestrebt wird. Erwartungsgemäß einfacher hingegen gestaltet sich Transfer auch in der Lehre innerhalb von Fach-Communities.
Mit Blick auf die nicht zuletzt im Qualitätspakt Lehre erwartete strategische Ausrichtung der antragstellenden Hochschulen, aber auch um Potenziale aus unterschiedlichen Fachkontexten nutzen zu können, ist Transfer jedoch auch innerhalb von Hochschulen wünschenswert. So gibt es eine Vielzahl an Maßnahmen in der Studieneingangsphase, die in einem spezifischen Fachkontext entwickelt werden, und die grundsätzlich auch für andere Fächer von Interesse sein könnten. Voraussetzung für einen solchen Transfer ist allerdings die Adaption der jeweiligen Ideen und Maßnahmen auf die konkrete Situation und spezifische Herausforderungen anderer Fächer. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass der Transfer von Projekten selbst projektiert werden sollte. Gute Praxis transferiert sich nicht von selbst – sie bedarf vielfältiger Anpassungsleistungen.
Und schließlich: Dem Transfer von Ideen, Projekten oder einzelnen Maßnahmen sollte eine Analyse zugrunde liegen, die Effekte und nicht zuletzt auch nicht intendierte Effekte im Sinne einer Wirkungsmessung aufzeigt. Transfer sollte in diesem Sinne evidenzbasiert sein – eigentlich ein selbstverständliches, wenngleich häufig nicht praktiziertes Vorgehen.
|| Prof. Dr. Marianne Merkt, Hochschule Magdeburg-Stendal
Grundlage: Vorschlag aus Fachgutachten:
Ergebnis: Diese Vorschläge wurden nicht kontrovers diskutiert, sondern eher als gute Grundlage gesehen. Darüber hinaus wurden folgende Aspekte diskutiert:
Diskussionslinien anhand der beiden Forumsbeiträge zur gelungenen Praxis an den Hochschulen:
1. Leuphana College
2. Strategie der TH Mittelhessen
Zu 1. Das erste Beispiel ist an der organisationalen Implementation einer kohärenten formalen Struktur für die Studieneingangsphase orientiert.
Kennzeichen:
Diskussionen:
Zu 2. Das zweite Beispiel ist an einem Organisationsentwicklungsprozess (Modell: Dreieck von Strategie, Struktur und Kultur) orientiert.
Strategie der THM:
Prozess an der THM:
Lessons learned: systematisches Vorgehen
Diskussionen zu Beispiel 2:
Zusätzlich werden Umsetzungsfragen diskutiert:
|| Prof. Dr. Dr. h.c. Johannes Wildt, Technische Universität Dortmund
Die Berichte über die Programme College+l der BTU Cottbus-Senftenberg (Prof. Dr. –Ing. Matthias Kosziol) und „erfolgreich starten“ der Hochschule Karlsruhe ((Daniel Engelbrecht) boten zwei gut durchdachte und mit Erfolg praktizierte Beispiele für klar strukturierte Eingangsphasen: das erste als dem Studium vorgelagerte Phase, in der dazu motivierte Studierende Module in Mathematik, Englisch, Schlüsselkompetenzen und ausgewählten Veranstaltungen des Grundstudiums belegen , das zweite als flexibilisiertes Grundstudium, das die Studierenden auf Grund einer Diagnostik Leistungstandes bzw. Kompetenzniveaus dem ersten oder auch noch zusätzlich dem 2. Studiensemester vorgelagerten mathematischen Zusatzstudien zuweist und ihnen damit einenbis zu 2 Semestern gestreckten Studienstart ermöglichte. Die vorliegenden Evaluationsergebnisse zeigen signifikant positive Auswirkungen auf den Studienerfolg. Auch der Erfahrungsbericht eine Studierenden der HWP demonstrierte den Nutzen von in die Studieneingangsphase eingelagerten auf den individuellen Bedarf zugeschnittenen Unterstützungsmaßnahmen.
Sowohl der Cottbuser wie der Karlsruher Ansatz bringen bringen für die betroffenen Studierenden eine Studienzeitverlängerung mit sich Eine solche Verlängerung um ein oder zwei Semester ist allerdings nur dann vertretbar, wenn die Studienfinazierung durch geeignete BAFöG-Regelungen gesichert ist. In beiden Fällen konnten solche Regelungen mit den zuständigen BAFöG-Ämtern vereinbarat werden. Wieweit die getroffenen Absprachen jedoch auf andere Hochschulen übertragbar sind, konnte in der Arbeitsgruppe nicht geklärt werden. Eine Umsetzung in größerem Maßstab dürfte jedoch an einen politischen Entscheidungsprozess gebunden sein, der die Handlungsebene der einzelnen Hochschule weit übersteigt und ein Zusammenwirken von Staat und Hochschule erfordert.
Abgesehen von der Beantwortung dieser hochschul- und gesellschaftspolitischen Grundfrage überzeugten beide Berichte auch in der jeweils realisierten Programmstruktur, die zielgenau auf die avisierten Zielgruppen zugeschnitten war. Den Berichten zufolge war die jeweilige Struktur auch von einem breiten fachbereichsübergreifenden Konsens und der gelungenen Abstimmung zwischen den Akteuren auf den tangierten akademischen und administrativen Handlungsebenen getragen und zeigte beachtliche Stabilität und Effizienz.
Es stellte sich in der Diskussion deshalb auch gar nicht die Frage, welches der Programme das bessere Modell abgeben könnte. Beide Programme erschienen überzeugend spezifischen situativen Kontext ihrer Hochschule angepasst. Angesichts eines solchen Befundes würde eine Transformation der Vielfalt an Angeboten zu einem generalisierten Modell für alle möglichen Standorte an den unterschiedlichen Bedingungskonstellationen vorbeigehen. Modellfunktion können einzelne Beispiele bestenfalls dadurch gewinnen, dass sie Problemlösungen für einzelnen Gestaltungsaspekte abgeben und Gesichtspunkte enthalten, unter denen ein Vergleich ermöglicht wird. Im Gegenteil: Beide Beispiele, belegen den Sinn und Nutzen, standortspezifische Lösungen zu finden. Ihnen Modelle überzustülpen, würde aus standortspezifischer Sicht zurecht als realitätsfremd erscheinen.
Darüber hinaus stellen sich allerdings Fragen, die aus den diskutierten Berichten allein nicht beantwortet werden konnten. Dazu zählte etwa die Frage, wie sich die Lehr – Lernkultur in den getroffenen Maßnahmen der Studieneingangsphase zu der Umgebung des regulären Curriculums verhält. So dürfte es wenig zielführend sein, wenn einer Studierendenzentrierung in der Eingangsphase einer herkömmlichen Dozentenzentrierung in den Fachmodulen gegenübersteht. Eine Schwachstelle kann auch darin bestehen, dass für die Einführungsmaßnahmen mit Lehrbeauftragten bzw. Tutoren eigenes Personal rekrutiert wird, die hauptamtlich Lehrenden sich aus der Durchführung heraushalten. Mindestens einmal wäre für eine ausreichende Qualifizierung und Betreuung des zusätzlichen Personals Sorge zu tragen. Beide Erwägungen sprechen dafür, die Lehrenden der beteiligten Fachbereiche in die Entwicklung und Durchführung der Eingangsphase einzubinden. Aufgabe der Hochschulpolitik ist es dann allerdings dazu geeignete Rahmenbedingungen: vorzuhalten.
Eine solche partizipative Curriculumgestaltung sollte sich im Übrigen nicht auf die Studieneingangsphase beschränken. Im Sinne einer Qualitätsperspektive geht es vielmehr darum, die Studieneingangsphase in die Entwicklung von Studium und Lehre insgesamt zu integrieren. Nur so lässt sich sicherstellen, dass es nicht bei rudimentären Reforminseln bleibt, die neben dem Mainstream der Lehr-Lernkultur Aschenputteldasein führen
Allerdings erscheint es als Illusion zu glauben, dass mit einer Einbindung der Studieneingangsphase in die Studienstruktur nach Maßgabe des Bolognaregimes die Motivationsprobleme im Studium gelöst werden könnten. Die Jagd nach Creditpoints in enggestrickten Modulen stärkt nicht ohne weiteres die Übernahme von Selbstverantwortung für das eigene Studium und führt kaum zur Selbstorganisation bzw. Selbststeuerung des eigenen Lernens. Hält man an der Bildungsaufgabe der Hochschule fest, ist es an den Hochschulen Lehr-Lernkulturen bereitzustellen, die Autonomie des Lernens ermöglichen und fördern.
|| Prof. Dr. Gabi Reinmann, Universität Hamburg
Was wirkt am Studienanfang? Welche „Formate“ eignen sich für diejenigen, die mit ihrem Studium beginnen bzw. wie sind Lehrangebote in dieser Phase zu „gestalten“? Das waren die Fragen im Forum D (Formate und Gestaltung) im Rahmen einer Veranstaltung zur „Studieneingangsphase im Umbruch“, in der das Motto lautete: „Von der Vielfalt an Angeboten zu einem Modell?“. Rückblickend würde ich sagen, dass wohl das Gros der Beteiligten froh war über die gewählte Formulierung als Frage – und dann sei mal dahingestellt, welche Antwortrichtung erwartet oder ersehnt worden war. Jedenfalls kann man wohl ganz klar sagen, dass der Suche nach dem einen Modell aus vielen Gründen eine klare Absage erteilen werden muss(te). Das gilt auch für das Forum D.
In diesem Forum bekam man zwei interessante Impulse aus dem MINT-Bereich der Hochschule Rosenheim und aus dem Bereich Jura der Universität Hamburg zu hören. Beide Impulse bestätigten die prinzipiell positive Wirkung von aktivierenden, interaktiven und kooperativen Elementen in der Lehre, die – so die Vorgabe des Veranstalters – für die Studieneingangsphase diskutiert werden sollten. Auf diesem hohen Abstraktionsniveau (Aktivierung, Peer-Lernen u. ä.) haben die Teilnehmerinnen des Forums im Verlauf der Diskussion die Chancen entsprechender Lehr-Lernmethoden bekräftigt. Das allerdings dürfte wenig verwundern, da es sich hier doch eher um didaktische Allgemeinplätze handelt, die seit den 1970er Jahren intensiv diskutiert und – erfreulicherweise – nun auch vielfach erprobt und eingesetzt werden. Es wurde aber ebenso rasch deutlich, dass die konkrete Ausgestaltung und Implementierung der genannten Methoden(gruppen) und damit z.B. auch typische Hindernisse ausgesprochen fachabhängig sind: Welche Lehrkultur herrscht in einem Fach? Welche fachliche Sozialisation prägt die Beteiligten? Was erwarten die Studierenden (weil es tradiert ist)? Wie sind Prüfungen organisiert? Das sind nur einige relevante Fragen, deren Beantwortung mit darüber entscheidet, wie „erfolgreich“ es in der Studieneingangsphase ist, „Schlüsselkompetenzen“ zu vermitteln, Maßnahmen der „Aktivierung“ einzuführen, „Lerngruppen“ einzurichten und „Peer-Elemente“ zu fördern (so wiederum die Vorgaben im Forum D). Was für einen Bereich wie die Physik gegebenenfalls eine Neuerung zu Studienbeginn ist, stellt sich in einem geisteswissenschaftlichen Fach unter Umständen als ganz selbstverständlich heraus (z.B. der Dialog und kommunikative Elemente). Was für kleine Studiengänge leicht umsetzbar ist, stößt in großen Bereichen wie der Lehrerbildung auf ungeahnte Schwierigkeiten. Die besonderen Herausforderungen etwa des Jurastudiums, mit zentralem Examen und eigenen Traditionen, die fest verwurzelt sind, ist für andere Studiengänge mitunter schwer nachzuvollziehen, Maßnahmen zur Verbesserung der juristischen Studieneingangsphase vermutlich entsprechend wenig transfertauglich. Allein schon deshalb erscheint es kaum machbar, „ein transferierbares Modell“ für den Studieneingang zu finden – ich würde sogar sagen, dass es unsinnig ist, ein solches überhaupt zu suchen.
Aufwändige Methoden, mit denen man anstrebt, dass Studierende von Anfang an wissenschaftliche Inhalte verstehen, Interesse an Wissenschaft entwickeln und motiviert sind, miteinander kommunizieren und Feedback von vielen Seiten erhalten, sind, so war man sich im Forum einig, nicht zum Nulltarif zu haben: Hohe Qualität in der Lehre – gerade auch zu Studienbeginn – kostet Geld. Entsprechend gehört es durchaus zu den „Erfolgsfaktoren“, ausreichend Ressourcen bereitzustellen, besonderes Engagement von Lehrenden beim Lehrdeputat zu berücksichtigen, aber auch endlich mal das Kapazitätsrecht zu überdenken, denn: Wenn mit jeder Ressource mehr auch mehr Studierende aufgenommen werden müssen, fließt zusätzliches Geld eben nicht in die Verbesserung, sondern nur in Expansion. Neben mehr Geld wünschen sich viele auch mehr hochschuldidaktische Forschung – mit Ergebnissen, die auch Handlungsrelevanz haben und nicht nur Stoff für angesehene internationale Zeitschriften hergeben. Qualifizierung ist ein weiteres Stichwort im Zusammenhang mit verschiedenen Lehr-Lernmethoden: Im besten Fall ist diese für Lehrende auch fachbezogen, denn der Gegenstand und die Fachkultur spielen – wie eingangs schon erwähnt – natürlich auch eine Rolle bei der Ausgestaltung derselben für einen erfolgreichen Studienstart. Methoden, die in verschiedenen Varianten das Peer-Lernen nutzen, profitieren ebenfalls von Qualifizierungsangeboten – nämlich für Studierende, die z.B. als Tutorinnen tätig werden wollen. Das sind alles keine neuen Erkenntnisse, aber es ist ganz offensichtlich notwendig, sie beständig zu wiederholen, denn knappe Ressourcen (und vermutlich auch die Suche nach dem einen Modell, das den Effizienzpreis gewinnt) verdrängen so manchen guten Vorsatz schnell wieder von der Prioritätenliste.
Sicher scheint: Es ist lohnend, sich um den Studieneingang zu kümmern, wie das in den letzten Jahren vermehrt geschehen ist: Am Anfang des Studiums lassen sich die Erwartungen der Studierenden noch beeinflussen, ist die Chance noch groß, mehr Selbständigkeit zu fördern, können die Anfangsinteressen noch produktiv aufgegriffen werden etc. Allzu viele Angebote allerdings, noch dazu neben den regulären Veranstaltungen, sind letztlich wenig erfolgversprechend. Der Studieneingang selbst ist umzugestalten, und fachspezifisch erprobte Ideen sollten in reguläre Veranstaltungen fließen, denn: Was zusätzlich angeboten wird, kostet auch zusätzlich Zeit, mitunter Überwindung und besondere Motivation, und schon sinkt die Chance, dass diese Angebote auch flächendeckend genutzt werden. Da mag es freilich Ausnahmen geben, aber in der Tendenz kann man wohl festhalten: Besser nicht additiv, sondern integrativ gestalten. Und schließlich, so wurde im Forum D noch deutlich, kommt es nicht darauf an, immer auf das Neueste zu setzen und besonders viel zu verändern, sondern dies ganz gezielt zu tun. Interessanterweise erwähnte gerade der studentische Kommentator im Forum die Gefahr der “didaktischen Überforderung“ innerhalb von Veranstaltungen. Wann eine solche didaktische Überforderung für Studierende anfängt, dürfte freilich wieder von vielen Faktoren abhängen. Als kleine Mahnung mag es aber allemal ganz hilfreich sein.
Mir ist klar: Ein kritischer Unterton ist aus meinem subjektiven Resümee aus Forum D und der anschließenden Diskussionen nicht zu überhören. Allerdings möchte ich da nicht missverstanden werden: Am Ende zählt nämlich, dass es den Diskurs über so wichtige Phasen wie den Studieneingang gibt, an dem sich viele, vor allem viele Lehrende, künftig gerne auch mehr Studierende, beteiligen. Dass dann auch „Klassiker unter den didaktischen Themen“ (Schlüsselkompetenzen, Aktivierung, Peer-Lernen etc.) immer wieder erneut diskutiert werden, ist keineswegs unnötig – es wären ja auch keine „Klassiker“, würden sie nicht ganz grundsätzliche didaktische Entscheidungen tangieren, die denn auch immer wieder neu zu treffen sind. Wichtig allerdings wäre, gemachte praktische Erfahrungen, bestehende theoretische Argumente und empirische Befunde einzubinden und auf die jeweils neuen Bedarfe und Hoffnungen zu beziehen. Ich persönlich halte es für ganz entscheidend, die Fachwissenschaftler nicht wie zu belehrende Laien in der Lehre zu behandeln und von der allgemeinen hochschuldidaktischen Warte aus eine große Pädagogisierungswelle einzuleiten – sei das nun für den Studienanfang oder darüber hinaus. Wenn es uns noch um „Bildung durch Wissenschaft“ geht (auch das mag man ganz verschieden sehen; ich halte es jedenfalls für weiterhin erstrebenswert), dann brauchen wir dazu auch alle unsere Wissenschaftler und deren authentisches Interesse an der eigenen Lehre, auch wenn die aus didaktischer Sicht immer irgendwie mangelhaft, nicht perfekt oder nicht „professionell“ genug erscheinen mag. Von daher, so meine Überzeugung, brauchen wir eine Hochschuldidaktik, die als Wissenschaftsdidaktik ganz besonders die Unterschiede etwa von Universitäten und Fachhochschulen untereinander sowie die Unterschiede beider zu anderen Bildungseinrichtungen herausarbeitet, entsprechend spezifische Forschungsbefunde bereitstellt und die Lehrenden unterstützt, IHREN Weg zwischen Forschung und Lehre zu finden, von dem auch die Studierenden profitieren – von Anfang an.