Das Konzept wird in Coburg seit 2011 umgesetzt. Was waren besondere Herausforderungen und wo sehen Sie die größten Erfolge?
Unser größter Erfolg ist, dass es uns gelungen ist, die erforderliche Organisationsstruktur aufzubauen. Wir mussten zunächst ein gemeinsames Zeitfenster für die teilnehmenden Studiengänge finden. Es war ein harter Kampf, einen zentralen Tag – bei uns ist es der Dienstag – für die interdisziplinären Lehrveranstaltungen freizuhalten.
Um die interdisziplinären Module in den Curricula verankern zu können, mussten einige Fachlehrveranstaltungen weichen: Jeder Studiengang musste also auch gewisse Opfer bringen und Workload freimachen, beziehungsweise etwas aus dem eigenen Kanon streichen.
Die Studiengangverantwortlichen erwarten dafür einen echten Mehrwert für das Fachstudium. Das Argument der Vermittlung interdisziplinärer Kompetenzen reicht hier nicht aus. Wir lösen das durch die interdisziplinäre Bearbeitung relevanter Themen an den fachlichen Schnittstellen mehrerer Disziplinen.
Wie sieht dies konkret aus?
Beispielsweise können Studierende der Innenarchitektur und der Integrativen Gesundheitsförderung gemeinsam an der gesundheitsfördernden Gestaltung eines Patientenzimmers arbeiten. Ein anderes Beispiel ist ein Projektseminar in Kooperation mit einer Non-Profit-Organisation, die den Absatz von Fair-Trade-Kaffee in Europa fördern will. Studierende der Betriebswirtschaft haben Vorschläge gemacht, wie man das Marketing verbessern kann, Studierende der Bioanalytik haben die Qualität des Kaffees untersucht und Design-Studierende haben ein neues Logo kreiert.
Dass wir die Projektseminare in der Regel mit externen Partnern, oft aus dem gemeinnützigen Bereich, durchführen, ist ein weiterer Erfolgsfaktor. Bei dieser Art des Service Learning machen die Studierenden die Erfahrung, dass das, was sie tun, eine gesellschaftliche Relevanz hat. Sie identifizieren sich mit den Projekten und sind dann in der Regel zufriedener mit der Veranstaltung.
Zudem ist es gelungen, Studiengänge aus unterschiedlichsten Fachgebieten für das Projekt zu gewinnen. Je weiter die teilnehmenden Disziplinen voneinander entfernt sind, desto anschaulicher werden die besonderen Herausforderungen interdisziplinärer Zusammenarbeit. Unter diesem Gesichtspunkt sind interdisziplinäre Module, in denen Studierende der Sozialen Arbeit mit Ingenieuren zusammenarbeiten, interessanter als ein Projekt für angehende Architekten und Bauingenieure.
In Ihrer Zwischenbilanzbroschüre heißt es: „Das Aufbrechen der fachlichen Isolation führt in Coburg zu einem Kulturwandel.“ Was bedeutet das?
Die meisten interdisziplinären Veranstaltungen werden gemeinsam von Lehrenden aus mindestens zwei Disziplinen geleitet. Das fördert die Lehrqualität und die Auseinandersetzung mit der eigenen Lehre. Lehrende sind sonst oft Einzelkämpfer. In der Co-Teaching-Situation müssen sie sich intensiv austauschen und aufeinander einlassen. So inspirieren sich die Lehrenden gegenseitig, etwa was neue Prüfungsformen oder innovative Lehrformate angeht.
Wir machen außerdem die Erfahrung, dass durch die interdisziplinären Veranstaltungen auch neue inhaltliche Impulse in die Fachlehre kommen, wenn Themen aus den Schnittstellen zu anderen beteiligten Disziplinen aufgegriffen werden. Die Interdisziplinarität fördert also Neugier im Sinne des Lebenslangen Lernens.
Das Interview ist zuerst im nexus-Newsletter zum Thema Interdisziplinarität erschienen. Die Fragen stellte Dorothee Fricke.