Das Projekt nexus ist seit dem 30. April 2020 abgeschlossen. Alle Informationen und Texte entsprechen dem Stand zum Projektende und werden nicht weiter aktualisiert. Mit dem Themenbereich Anrechnung und Anerkennung befasst sich das aktuelle HRK-Projekt MODUS und für Studierende die Infoseite AN!.
Worin sehen Sie besonders innovative Ansätze, um einer heterogenen Studierendenschaft den Übergang an die Hochschule zu erleichtern? Welche Aktivitäten von Hochschulen sehen Sie kritisch?
Innovation besteht nicht – jedenfalls nicht allein – aus neuen Ansätzen, sondern aus der systemischen Verknüpfung und Modernisierung bereits vorhandener Elemente, im Fall der Studieneingangsphase insbesondere in deren studierendenzentrierter Ausgestaltung von Formaten und Maßnahmen. Digitale Formate etwa können die Lehre bereichern, aber für eine lernergerechte Ausgestaltung gerade der Studieneingangsphase ist der persönliche Kontakt enorm wichtig. Das sollte in der Ausgestaltung berücksichtigt werden.
Kritisch sehe ich es, wenn Hochschulen in der Studieneingangsphase nur auf Lehrbeauftragte und Tutorien setzen, während die hauptamtlich Lehrenden außen vor bleiben. Wenn eine lernerzentrierte Hochschuldidaktik in der Eingangsphase auf eine ansonsten traditionell dozentenzentrierte Lehre stößt, prallen zwei Kulturen aufeinander, die sich gegenseitig behindern. Insgesamt ist es wichtig, die Studieneingangsphase schon in der Curriculumsentwicklung zu berücksichtigen.
Welche Formate und Strukturen lassen sich auf andere Hochschulen übertragen und weiterentwickeln?
Welche Einzelmaßnahmen sinnvoll und erfolgreich sind, hängt sehr stark von der Hochschule und vom einzelnen Fach ab. In der Gestaltung der Studieneingangsphase haben sich partizipatorische Ansätze, die insbesondere die Lehrenden einbeziehen, als erfolgreich erwiesen. Hier können die Hochschulen voneinander lernen. Dafür ist der Austausch der Hochschulen untereinander, wie ihn zum Beispiel nexus ermöglicht, zentral.
Diversifikation oder Einheitlichkeit: Wohin sollte die Reise mit Blick auf Maßnahmen in der Studieneingangsphase gehen?
Modellbildung ist sinnvoll, es darf aber kein Einheitsbrei entstehen. Hochschulen brauchen passgenaue Lösungen. Modelle als Maßstäbe können Hochschulen in der Entscheidung helfen, in welche Richtung sie sich bewegen wollen. Insgesamt würde ich mir mehr Experimentierfreude und Flexibilisierung wünschen! Die Gestaltung von Programmen zum flexiblen Studieneinstieg benötigt aber auch entsprechende Rahmenbedingungen, die von politischer Seite ermöglicht werden müssen – etwa durch entsprechende Experimentierklauseln
Brauchen wir strukturelle Reformen wie zum Beispiel ein College-Modell oder sollen vielmehr die Fächer vielversprechende Ansätze verfolgen?
Auch hier sind die Bedingungen sehr unterschiedlich. Ein dem Fachstudium vorgeschaltetes College ist kein Allheilmittel, es kann aber für einige Hochschulen und Fachbereiche durchaus sinnvoll sein. Als verpflichtendes Modell für alle sehe ich das skeptisch. Allerdings sollten in vielfältigen Experimenten mehr Erfahrungen gesammelt werden.
Bei aller unbestrittenen fachlichen Ausdifferenzierung haben die unterschiedlichen Fachkulturen doch viele Gemeinsamkeiten. Mit der didaktischen Gestaltung verhält es sich wie mit der DNA von Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, die bei stark differierendem Phänotypus doch über einen hochgradig übereinstimmenden Genotypus verfügen. Umso wichtiger ist der Austausch der Fachkulturen untereinander.
Das Interview ist zuerst im nexus-Newsletter erschienen. Die Fragen stellte Dorothee Fricke.
Johannes Wildt war von 1997 bis zu seiner Emiritierung 2012 an der TU Dortmund Leiter des Hochschuldidaktischen Zentrums (HDZ) (heute Zentrum für HochschulBildung) und Hochschullehrer am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Soziologie. Hochschuldidaktische Schwerpunkte in Forschung, Weiterbildung, Coaching und Lehrbzw. Curriculumentwicklung.