Das Projekt nexus ist seit dem 30. April 2020 abgeschlossen. Alle Informationen und Texte entsprechen dem Stand zum Projektende und werden nicht weiter aktualisiert. Mit dem Themenbereich Anrechnung und Anerkennung befasst sich das aktuelle HRK-Projekt MODUS und für Studierende die Infoseite AN!.
Der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Peter-André Alt hat im August die Präsidentschaft der HRK übernommen. Im Interview mit nexus spricht er unter anderem über die Idee einer neuen Plattform für die Lehre.
Auch wenn Sie heute nicht mehr regelmäßig vor Studierenden stehen, hat Ihre Zeit als Lehrender Sie sicherlich geprägt. Was war Ihnen persönlich in der Lehre besonders wichtig?
Neben einem guten Überblickswissen als Basis für eine vertiefende wissenschaftliche Beschäftigung habe ich immer großen Wert auf das analytische Handwerkszeug, also die Vermittlung der methodischen Kompetenzen, gelegt. Es war mir wichtig, nicht nur Studierende in höheren Semestern zu unterrichten. Wer nur im Reich der Fortgeschrittenen unterwegs ist, mit denen man wissenschaftliche Diskussionen führen kann, entwickelt schnell eine Art Betriebsblindheit. Wenn Sie vor Erstsemestern stehen, werden Sie auch immer daran erinnert, was man alles nicht voraussetzen darf. Ein besonderer Reiz lag für mich auch darin, Studierende über mehrere Jahre zu begleiten und ihre Entwicklung zu verfolgen.
Welche Themen aus dem Bereich Studium und Lehre wollen Sie als HRK-Präsident besonders in den Fokus rücken?
Zum einen die permanente Weiterentwicklung des Studiums und der Studienorganisation: Haben wir genug Studienplätze in den richtigen Bereichen? Wie können wir die Studierbarkeit gewährleisten? Zum anderen wird es darum gehen, verbindliche Kriterien für gute Lehre zu entwickeln und Anreize für eine Verbesserung der Lehre zu geben. Wir sollten in der HRK zu einem gemeinsamen Grundverständnis für die Qualität der Lehre und der Qualitätssicherung kommen. Ich denke da an zehn Kriterien für gute Lehre, auf die wir uns verständigen und die dann überprüft werden können. Das wäre auch ein starkes Zeichen gegenüber der Politik.
Welche Kriterien könnten das sein? Wie sollen diese verankert und überprüft werden?
Ein Punkt könnte etwa sein, dass Hochschulen bei Berufungen sicherstellen, wie die Qualität der Lehre vorangebracht wird. Die Kriterien sollten einfach sein und man muss erkennen können, ob eine Hochschule ihnen genügt. Ich denke da an ein Ampelsystem: Steht alles auf Grün, gibt es etwas zu tun oder sind Alarmzeichen da? Für die Überprüfung und ständige Weiterentwicklung der Kriterien brauchen wir eine Plattform, die ich mir sehr gut bei der HRK angesiedelt vorstellen könnte.
Spielen Sie damit auf die Idee einer neuen permanenten Institution für die Lehre an?
Genau, der Bund hat das ins Spiel gebracht, wir haben es kritisch gesehen, aber ich glaube, dass wir gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Wir wollen keine Überorganisation und keinen permanenten Wettbewerb mit Antragsdynamik. Wir als Hochschulsystem und auch die Politik haben aber ein Interesse an einer gewissen Verbindlichkeit. Die HRK wäre in der Lage, diese zu erzeugen und zu gewährleisten.
Eine Kritik am heutigen Studium - insbesondere am Bachelor - ist, dass Persönlichkeitsbildung und kritisches Denken häufig auf der Strecke bleiben: Wie können diese Aspekte gestärkt werden?
Viele Bachelorstudiengänge der ersten Generation waren sicher überlastet. Inzwischen sind viele Studiengänge wieder ‚entlüftet‘ worden und seitdem läuft es durchweg gut. Insgesamt sollte es noch mehr Spielräume geben und die vorhandenen Freiheitsgrade sollten noch besser genutzt werden, zum Beispiel bei der Gewichtung der Prüfungsnoten. Die Noten aus den ersten beiden Semestern sollten geringer gewichtet werden. Man sollte nicht das ganze Studium die Hypothek einer am Anfang schlecht gelaufenen Prüfung mitschleppen.
Braucht es neben den formalen Freiräumen auch besondere Angebote zur Persönlichkeitsbildung?
Vor allem gilt es, Wissenschaftlichkeit im Studium zu leben und das freie Denken zu erproben. Unabhängig vom Fach sollte es darum gehen, die Urteilsfähigkeit zu schärfen. Dieses Ziel steht bei der Berufsausbildung weitaus weniger im Fokus.
Der nexus-Claim lautet „Übergänge gestalten, Studienerfolg verbessern.“ Was macht für Sie ein erfolgreiches Studium aus, und welche Bedingungen braucht es dafür?
Ein erfolgreiches Studium ist ein Studium, welches herausfordert und einen regelmäßig an intellektuelle Grenzen führt, zugleich aber auch befriedigt. Es geht nicht nur um das Bestehen von Prüfungen oder den Erwerb von bestimmten Qualifikationen. Entscheidend ist das Gefühl, am richtigen Ort und im richtigen Fach zu sein. Die Auseinandersetzung mit den Anforderungen und der Identität eines Faches kann man den Studierenden nicht abnehmen. Wir brauchen aber passende und situationsangemessene Beratungsangebote – am Anfang ebenso wie im Verlauf des Studiums und vor dem Examen. Das halte ich für enorm wichtig. Es geht aber nicht darum, Studierende wie Kinder an die Hand zu nehmen, sondern ihnen zu einem selbstbestimmten Studium zu verhelfen.
Das Interview ist zuerst im nexus-Newsletter erschienen. Die Fragen stellte Dorothee Fricke.
Peter-André Alt studierte Germanistik, Politische Wissenschaft, Geschichte und Philosophie an der Freien Universität Berlin, wo er auch promoviert wurde und sich habilitierte. Nach Professuren an der Ruhr-Universität Bochum und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg kehrte Alt 2005 als Professor an die Freie Universität zurück. Nach zwei Jahren als Dekan des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften wurde er 2010 zum Präsidenten der Freien Universität Berlin gewählt. Seit August 2018 ist Alt Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.