Die Frau aus dem Kosovo ist vor ihrem gewalttätigen Mann in ein Frauenhaus geflüchtet. Die drei Kinder des Paares sind bei ihm. Sie befürchtet, dass der Mann sich mit den Kindern in die Heimat absetzen könnte. Welche Möglichkeiten es für die verzweifelte Frau gibt, bespricht sie mit der Leiterin des Frauenhauses und einer Sozialarbeiterin. Mit dabei ist eine Dolmetscherin, ohne die hier kein konstruktiver Austausch möglich wäre. Der Fall ist echt, die Leiterin des Frauenhauses hat ihn selbst erlebt. Doch die Rollen der anderen Protagonisten haben Studierende des Studienschwerpunkts „Fachdolmetschen in sozialen, medizinischen und behördlichen Einsatzbereichen“ im Masterstudiengang Translation am Arbeitsbereich Interkulturelle Germanistik des Fachbereichs Translations, Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg Universität Mainz übernommen.
Mit der innovativen Lehrmethode der „Dolmetschinszenierungen“ sollen die Studierenden ganzheitlich auf ihre künftige Rolle vorbereitet werden und dabei eine professionelle Berufsethik entwickeln. Schließlich sind die Einsatzbereiche von Fachdolmetscherinnen und -dolmetschern (z. B. Krankenhäuser, Behörden, Beratungsstellen, Schulen) durch potentiell konfliktreiche Kommunikationssituationen geprägt, in denen neben kulturellen und sprachlichen Besonderheiten auch Emotionen und körpersprachliche Aspekte eine große Rolle spielen. Durch den Einbezug von ‚echten‘ Fachkräften in die Lehre und die gemeinsame Erarbeitung und Inszenierung von realitätsnahen Einsatzszenarien können sich Studierende in ihren zukünftigen Einsatzsituationen erproben und ein Gefühl der Praxis bekommen.
Dabei sind Dolmetschinszenierungen weit mehr als ein Rollenspiel oder eine Simulation: Während das Dolmetschen in den akademischen Ausbildungsstätten bisher weitgehend als verbale Tätigkeit erforscht und gelehrt wird, rückt die Methode dezidiert den Körper des Dolmetnschenden und den Kontext der Verdolmetschung ins Zentrum: Die emotionalen, nonverbalen und irrationalen Dimensionen der Kommunikation sowie die sozialen, kulturellen, politischen aber auch persönlichen Faktoren, die die Dolmetschperformanz beeinflussen, stehen in der Lehre gleichberechtigt neben den verbalen Faktoren.
Das Lehrprojekt wurde im Rahmen einer Ausschreibung des Gutenberg Lehrkollegs der Universität Mainz zum Thema „Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen" 2013 als eines der vier Gewinnerprojekte ausgezeichnet
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