Trockene Grundlagenfächer zu Beginn des Studiums – für Bauingenieurstudierende oft ein großer Motivationsdämpfer. Darüber hinaus sind Studiengänge im Bauingenieurwesen häufig durch ein Nebeneinander einzelner Fächer geprägt, denen eine verbindende Klammer fehlt. Dagegen setzt die Hochschule Koblenz auf erlebte Praxisrelevanz: Bachelorstudierende des Bauingenieurwesens bearbeiten ein konkretes Bauvorhaben, lernen somit am „lebenden“ Objekt und verbessern ihre Beschäftigungsfähigkeit.
Die Studierenden im Bauingenieurwesen planen während ihres Bachelorstudiums sukzessive ein Wohngebäude. Analog zu den Fächern im jeweiligen Semester werden die anstehenden Teilaufgaben im Team von vier bis fünf angehenden Bauingenieurinnen und Bauingenieuren bearbeitet. So stehen zum Beispiel im ersten Semester der Gebäudeentwurf mit der Erstellung der CAD-Zeichnungen, die Erstellung des Wärmeschutznachweises und die fiktive Einreichung des Bauantrags auf dem Plan. Nachdem dieser Grundstein gelegt ist, bezieht sich die Projektarbeit in jedem Semester auf ein bis drei Lehrveranstaltungen. Das in den Vorlesungen vermittelte Wissen und die erlernten Methoden werden anschließend durch gezielte Aufgabenstellungen am Bauprojekt angewendet. So kommen im Verlauf des Studiums die Konstruktion und Bemessung von Fundamenten, Wänden, Decken und Dach unter Verwendung unterschiedlicher Baumaterialien wie Beton, Holz, und Stahl sowie die Kalkulation und die Ausschreibung hinzu. In den ersten sechs Semestern arbeiten die angehenden Bauingenieure jeweils drei Wochen pro Semester intensiv an ihrem Projekt. In dieser Zeit stehen die Professoren verstärkt als Ansprechpartner für fachliche Fragen zur Verfügung. Am Ende des Studiums besitzen die Studierenden einen Projektordner mit der kompletten Planung ihres Gebäudes.
Die intensive fachliche Betreuung und Bewertung erfolgt in den verschiedenen Lehrveranstaltungen durch die jeweiligen Fachprofessoren. Da die Projektbearbeitung in Gruppen erfolgt und die Ergebnisse regelmäßig präsentiert werden müssen, üben die angehenden Bauingenieurinnen und Bauingenieure neben der fachlichen Komponente auch Schlüsselqualifikationen wie Team-, Organisations- und Kommunikationsfähigkeit. Gerade diese Fähigkeiten kann keine Vorlesung in dem Maße lehren, dadurch wird die Relevanz von Schlüsselkompetenzen für eine beschäftigungsbefähigende Ausbildung sowie für die Persönlichkeitsentwicklung deutlich. Durch die Arbeit am „lebenden“ Objekt wird das Wissen gefestigt und der Bezug von Theorie und Praxis hergestellt. Darüber hinaus wird eine ganzheitliche Herangehensweise an eine Problemstellung verfolgt, statt dem in der Studienpraxis vorherrschenden Vermitteln von Teildisziplinen, die ohne Zusammenhang nebeneinander her gelehrt werden. Diese Aspekte wirken sich entscheidend auf die Lernmotivation aus.
Mit diesem Ansatz, der unter anderem im rheinland-pfälzischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur auf positive Resonanz stieß, wurde der Fachbereich Bauwesen im Jahr 2008 im Exzellenzwettbewerb „Studium und Lehre“ unter den Fachhochschulen im Land mit dem ersten Platz belohnt. Der Fachbereich verwendete das Preisgeld des Exzellenzwettbewerbs zur Optimierung, unter anderem für Evaluationen und weitere Konzeptentwicklungen im Rahmen des Projektstudiums.