Das Erstsemesterprojekt „startIng!“ an der Fachhochschule Kiel ist eine einwöchige Simulation des Ingenieurberufs, die Erstsemesterstudierende aus den Fachbereichen Maschinenwesen und Informatik & Elektrotechnik nach ca. sieben Wochen Lehrbetrieb freiwillig durchlaufen.
Das ursprüngliche Konzept „emb – Einführung in den Maschinenbau“ wurde 1998 von Prof. Dr.-Ing. Manfred J. Hampe an der TU Darmstadt entwickelt. Das Konzept wurde 2006 von Prof. Dr.-Ing. J. H. Weychardt vom Fachbereich (FB) Maschinenwesen an der FH Kiel unter dem Namen startIng! auf deren spezielle Gegebenheiten adaptiert und im Jahr 2015 von Prof. Dr.-Ing. Harald Jacobsen auf den FB Informatik und Elektrotechnik ausgeweitet. startIng! ist in beiden Fachbereichen curricular verankert. Maßgeblicher Unterschied zu Universitäten ist, dass die umfassende Betreuung überwiegend von Masterstudierenden geleistet wird, da kein akademischer Mittelbau zur Verfügung steht: Durch dieses Peer-to peer-Teaching werden die Teilnehmenden umfangreich betreut.
Die Studierenden treten in 21 konkurrierenden 12er-Teams an, dabei bearbeiten die Studierenden in der Projektwoche die Aufgabenstellung nach der VDI-Richtlinie 2221, einer Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte. Auf der Abschlussveranstaltung, bei der die Studierenden ihre Ergebnisse präsentieren, müssen sie ihren Lösungsvorschlag in Bezug zu anderen Lösungsvarianten setzen und vergleichend bewerten. Zudem müssen sie sich den Fragen der Jury (Professorinnen und Professoren der Hochschule sowie Vertreterinnen und Vertreter der Unternehmen) sowie der Kommilitoninnen und Kommilitonen stellen.
Dabei stehen die Themen Vielfalt und interdisziplinäre Zusammenarbeit im Mittelpunkt. So sollen synergetische und nachhaltige Effekte für das gemeinsame Lernen erzeugt sowie das neu erworbene Wissen langfristig gesichert werden. Eine Absolventenbefragung an der FH Kiel ergab, dass sich Lerngruppen bilden, die mitunter über ein ganzes Studium Bestand haben.
Angewandte Projektlehre ist erfolgreich
Durch die Feedbackrunden werden die Studierenden in die Lage versetzt, ihr eigenes Handeln und die damit verbundenen Auswirkungen zu reflektieren. Die Studienentscheidung kann also bestätigt oder frühzeitig verworfen werden. Positive Evaluationsergebnisse in Bezug auf Studiendauer und Abschlussnote der Studierenden unterstreichen die Erfolge der angewandten Projektlehre.
Die Abbruchquoten für den Fachbereich Maschinenwesen über die letzten fünf ausgewerteten Jahre im Vergleich zeigen einen deutlichen Trend: Verglichen wurden die Studierenden, die am startIng! Projekt teilgenommen haben, mit denen, die nicht an startIng! teilgenommen haben. Die Abbruchquote lag bei 12 Prozent bei Teilnehmenden gegenüber 17 Prozent bei denjenigen, die nicht teilgenommen hatten. Bei männlichen Studierenden ergibt sich ein noch deutlicheres Bild: Die Abbruchquote lag bei 2,5 Prozent (Teilnahme) gegenüber 10 Prozent (Nicht-Teilnahme).
Im Projektverlauf seit 2006 wurde startIng! um innovative Themen wie z. B. Gender, Diversity, Nachhaltigkeit und Industrie 4.0 erweitert. So konnte inzwischen eine Erkenntnis aus der Genderforschung für Arbeitsteams im Ingenieurwesen validiert werden, dass jedes Geschlecht zu mindestens 30 Prozent vertreten sein sollte, um seine individuellen Kompetenzen optimal in die Arbeit einzubringen. Teams mit „Quotenfrauen“ zeigten signifikant schlechtere Ergebnisse als rein männlich oder ausgewogen besetzte.