Intensives Lernen in kleinen Arbeitsgruppen, die durch eigens qualifizierten Tutoren begleitet werden. Darauf setzt Dr. Annette Seibt von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW) im Master-Studiengang Health Sciences.
Die Einführungsvorlesung in die Gesundheitswissenschaft und Public Health mit 65 Studierenden wird von sieben Tutoren unterstützt. Diese werden, wie an der HAW üblich, auch aus den Studienbeiträgen finanziert und zentral in der hochschuldidaktischen Arbeitsstelle auf ihre Aufgabe vorbereitet. In einem dritten Schritt sattelt Annette Seibt darauf noch eine gezielte inhaltliche Schulung auf.
Etwa zwölf Stunden nimmt sie sich Zeit, um ihre Tutoren – allesamt Studierende aus höheren Semestern – auf die Aufgaben vorzubereiten: Sie bespricht mit ihnen das Ziel der Vorlesung, erklärt Zusammenhänge und bereitet sie auf die häufigsten Fragen vor, die ihnen die Studierenden wohl stellen werden. „So eng kann ich leider nicht mit allen Studierenden arbeiten“, sagt Seibt, „aber auf dem Umweg über die Tutorien bekommen sie die Möglichkeit, sich trotzdem gut mit dem Stoff vertraut zu machen. Mit diesen kleinen Tutoriengruppen schaffe ich eine Ebene, auf der auch Studierende mit inhaltlichen Schwierigkeiten gut integriert
und gefördert werden können.“
Dabei muss sie in Kauf nehmen, dass die Fluktuation der Tutoren hoch ist. „Weil die älteren Studierenden bald in ihr
Praxissemester gehen, fange ich im Prinzip jedes Jahr wieder von vorne an, neue Leute zu schulen“, sagt sie. Eine bessere Verstetigung der Zusammenarbeit ist eines der Ziele, das sie auf mittlere Sicht erreichen will.
Praxisbezug durch "Veränderungsprojekt" und "Community Mapping"
In der Lehre legt Annette Seibt zudem großen Wert auf die Verknüpfung mit der Praxis – ein Ziel, das sie mit Aufgaben erreicht, die auf den ersten Blick unspektakulär wirken: Im zweiten Semester etwa steht ein so genanntes Veränderungsprojekt an. Darin legt jeder Studierende fest, wie er sein eigenes Leben während des Semesters gesünder gestalten will – von den Vorsätzen, mit dem Rauchen aufzuhören oder fünf Stücke Obst und Gemüse
pro Tag zu essen bis hin zur selbst auferlegten Aufgabe, jeden Tag die Zahnseide zu nutzen oder dreimal pro Woche zu joggen, hat Seibt schon fast alles gehört.
„Das klingt vielleicht banal“, sagt sie, „aber wer sich ein halbes Jahr lang quasi selbst beforscht, wird feststellen, wie schwer eine gesundheitsbezogene Veränderung ist.“ Das ist der Lerneffekt, auf den sie setzt: Die Macht der Gewohnheit
sollen die Studierenden kennenlernen; eine wichtige Perspektive, wenn sie später selbst ihren Patienten oder Kunden bestimmte Verhaltensänderungen empfehlen.
„Ich will nicht nur möglichst gut für die Berufspraxis ausbilden, sondern darüber hinaus die Zusammenhänge zeigen“, sagt Annette Seibt. Mit ihren neuen Studierenden führt Seibt deshalb eine Sozialraumanalyse – ein Community Mapping – durch. „Blickt mit gesundheitssensiblen Augen auf euren Stadtteil und erobert ihn euch“, das ist das Motto dahinter. Für ihr unmittelbares Umfeld sollen die Studierenden festhalten, wo es Gesundheitseinrichtungen gibt oder Parks, Spazierwege und Spielplätze. Zugleich sollen sie notieren, wo sie sich wohlfühlen und wo nicht. Dabei lernen sie zu erspüren, was einen Stadtteil mit hoher oder geringer Lebensqualität ausmacht.
Dass auch solche Wohlfühl-Faktoren zum Begriff der „Public Health“ gehören, soll dadurch greifbar werden – ebenso wie ein Gefühl dafür, wie hoch der gesellschaftliche Wert der Gesundheit eigentlich ist. Durch die Anknüpfung an ihre unmittelbare Lebenswelt und ihre eigenen Veränderungsmöglichkeiten wird für die Studierenden so greifbar, wie ihr Studienfach außerhalb der Hochschule wirksam ist.
Der obige Text ist der nexus-Broschüre Gute Lehre. Frischer Wind an deutschen Hochschulen entnommen. (Bonn 2011, S.28f.) Die Broschüre kann als E-Book online gelesen oder als als PDF (100 Seiten, 6,2 MB) heruntergeladen werden.