Die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Paderborn hat Service Learning curricular und fachdidaktisch in die Bachelorstudiengänge integriert. Nach dem Motto „Von der Region, für die Region“ bearbeiten die Studierenden reale wirtschaftswissenschaftliche Problemstellungen bei gemeinnützigen Organisationen. Ehemalige und noch aktive Praktikerinnen und Praktiker aus leitenden Positionen in Wirtschaft und Verwaltung („Alte Profis“) stehen mit Rat und Tat zur Seite und runden das Gesamtkonzept gelungen ab. Die ehrenamtliche Tätigkeit aller Beteiligten steht dabei im Fokus und Service Learning wird somit als problembasierte Lernform fachdidaktisch übergenerationell gestaltet.
Die Problemstellungen sind jeweils aus den Handlungsfeldern der gemeinnützigen Organisationen heraus mit sozialen Bedürfnissen verknüpft. Aus curricularer Sicht besteht das Ziel des Moduls darin, dass sich die Studierenden einerseits ein Repertoire zu Methoden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aneignen. Basierend auf den Problemstellungen der gemeinnützigen Organisationen bestimmen die Studierendengruppen ihr Erkenntnisinteresse, wählen entsprechende Methoden zur Bearbeitung aus, wenden diese auf die Problemstellung an und entwickeln auf Basis der Ergebnisse Lösungen für die gemeinnützigen Organisationen. Andererseits reflektieren die Studierenden ihr gemeinnütziges Handeln vor dem Hintergrund der Relevanz von zivilgesellschaftlichem Engagement.
Aus didaktischer Sicht werden die Studierendengruppen durch Inputphasen zum Aufbau von Forschungsprozessen und Methoden in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Beratungsphasen zur Verknüpfung der Inhalte des Moduls mit den Serviceprojekten sowie Präsentations- und angeleiteten Reflexionsphasen unterstützt. Die Input-, Beratungs- und Reflexionsphasen finden jeweils im Wechsel über das Semester verteilt statt. Die sogenannten „Alten Profis“ unterstützen die Studierendengruppen über das ganze Semester hinsichtlich des Projektmanagements.
Projekte im Sommersemester 2017
Im Sommersemester 2017 sind über 40 Studierende angetreten, um gemeinnützigen Organisationen aus Paderborn und Umgebung tatkräftige Unterstützung bei der Lösung ihrer organisatorischen und finanziellen Herausforderungen zu geben. Situationsanalyse, Datensammlung und –auswertung von qualitativen und quantitativen Datenformaten führten zu Handlungsempfehlungen, über die sich die anwesenden Initiativenvertreter ausnahmslos „sehr zufrieden“ zeigten und teilweise sogar jetzt schon einige der studentischen Empfehlungen umgesetzt hatten. Drei Beispiele:
- Lebenshilfe – Familien unterstützender Dienst: Die ehrenamtlichen Berater und Unterstützer von Menschen mit Behinderungen kämpfen immer wieder gegen das Problem, ausreichend Mitarbeiter und Mithelfende im Kreisgebiet Paderborn zu gewinnen. Hier gaben die Studierenden folgende Empfehlungen ab: Den Mitarbeitern begrenzte Betreuungszeiten und flexible Mitarbeit anbieten, deutliche Wertschätzung für ihre ehrenamtliche Tätigkeit entgegenbringen, Bekanntheit durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit erhöhen, Qualifizierungsschulungen zur eigenen Kompetenzerweiterung anbieten und auch Aufwandsentschädigungen bedenken.
- Das Integrationsunternehmen "Café am Kirchplatz erhält zeitnah keine Fördergelder mehr und niemand weiß, wie es ohne die Subventionierung weitergehen soll. Anhand einer durchgeführten quantitativen Studie empfahlen die Studierenden "Hilfe zur Selbsthilfe" durch z.B. eindeutigere Positionierung und bessere Zusammenarbeit mit regionalen Herstellern und Vereinen, effektive Werbemaßnahmen, Verdeutlichung des Integrationsaspekts nach außen oder Durchführung von Veranstaltungen (Musik, Ausstellungen, Lesungen).
- Ein weiteres Projekt für synergetisch wirkende Ehrenamtstätigkeit realisierte man mit Greenpeace Paderborn, die mit nur 15 Mitgliedern ein echtes Personalproblem haben. Hier mussten die Studierenden nicht allzu weit in die Ferne schweifen, denn die Primärzielgruppe für eine effiziente Mitgliederakquise befindet sich in der Universität selbst. Handlungsempfehlungen: Fortgesetzte enge Kooperation beider im Rahmen des wirtschaftspädagogischen Projekts „Service Learning in den Wirtschaftswissenschaften“, dadurch Nutzung von Synergieeffekten und gemeinsame Erstellung eines von Studierenden zu recherchierenden Marketingkonzepts.
Hier können Sie sich ein Imagevideo ansehen.
Gerholz, K.-H./ Liszt, V. & Klingsieck, K. (2015). Didaktische Gestaltung von Service Learning – Ergebnisse einer Mixed Methods-Studie aus der Domäne der Wirtschaftswissenschaften. In: bwpat-online, Ausgabe 28, (erscheint im Juli 2015)
Gerholz, K.-H./Losch, S. (2015): Can service learning foster a social responsibility among students? – A didactical analysis and empirical case-study in business education at a German university. In: O’Riordan, L., Heinemann, S. & Zmuda, P. (Eds.), New Perspectives on Corporate Social Responsibility: Locating the Missing Link, 602-622.