Die Universität Regensburg wirbt um die Kinder von Migranten – und schickt sie zum Austausch in die Heimat ihrer Eltern. So profitieren die Absolventen von ihrem doppelten kulturellen Hintergrund. „Secondos“ heißt das interkulturelle Studienprogramm, das bundesweit einzigartig ist. Es richtet sich an Studierende aus Familien, die einen heimatlichen Bezug in die Länder Mittel- und Osteuropas haben – sei es, dass ihre Eltern dort zur deutschen Minderheit gehören, sei es, dass sie aus anderen Gründen nach Deutschland ausgewandert sind.
„Mit ihrem doppelten kulturellen Hintergrund haben diese Studierenden ein besonderes Potenzial“, sagt Lisa Unger-Fischer, die das Programm betreut. „Wir möchten dabei helfen, dieses Potenzial auch zu nutzen.“ Genauso, wie es die Bezeichnung Secondos nahelegt: Sie ist in der Schweiz entstanden und steht für die Kinder von Zuwanderern; für jene, die in zweiter Generation in einem neuen Land leben.
Das Regensburger Konzept ist für die Studierenden denkbar einfach gestaltet: Das erste Studienjahr verbringen sie in Regensburg, das zweite an einer Partnerhochschule im Ausland, das dritte dann wieder an der Alma Mater – fertig ist der dreijährige Bachelor. Das Besondere daran ist, dass dieses Angebot für alle Fächer gilt, die nach dem gestuften Studiensystem aufgebaut sind. Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaftler können sich gleichermaßen für das Secondos-Programm entscheiden.
Seit Jahren schon spezialisiert sich die Regensburger Universität auf die Länder im Osten Europas und hat ein regelrechtes Kompetenzzentrum aufgebaut mit Lehrpersonal, Bibliotheken und Sprachkursen. Diese lange Erfahrung kommt den Secondos-Studierenden jetzt zu Gute. Unterstützung kommt von Professoren aus allen Fachgebieten.
Auch dabei ist die strategische Lage Regensburgs von Vorteil: Beinahe alle Fakultäten unterhalten ohnehin schon enge Kontakte zu mittelosteuropäischen Partnerhochschulen und waren deshalb von vornherein offen für das Secondos-Programm. Bislang können die Studierenden für ihr Auslandsjahr zwischen zwei Universitäten wählen, entsprechende Abkommen gibt es mit dem rumänischen Cluj (Klausenburg) und dem ungarischen Pécs. Derzeit arbeiten die Regensburger an einer Ausweitung des Projekts.
Ein solches Studienangebot sei ohne die Bologna-Reform gar nicht möglich gewesen, heißt es an der Regensburger Universität: Erst die Vergleichbarkeit der Studienangebote an den Partnerhochschulen und die vereinfachte Anrechnungspraxis mit den einheitlichen Leistungspunkten für Seminare, Vorlesungen und Klausuren hat den Weg bereitet. Bei den Studierenden haben die Regensburger mit ihrem neuen Programm offene Türen eingerannt: Gleich nach der Ausschreibung erkundigte sich innerhalb weniger Wochen dutzende Interessenten nach Secondos.
Mehr zu diesem Projekt in der HRK-Publikation Kreative Vielfalt, S. 42, und auf den Webseiten der Universität Regensburg.