Nach der Einleitung von Herrn Prof. Dr. Holger Burckhart, HRK-Vizepräsident für Lehre, Studium, Lehrerbildung und Weiterbildung, fanden am Vormittag zunächst vier Impulsvorträge statt, welche die Perspektiven der unterschiedlichen hochschulischen Akteure auf die Anerkennungspraxis verdeutlichten.
Einleitung Burckhart
Herr Burckhart stellte die Vorteile studentischer Mobilität in den Mittelpunkt seiner Einführung. So betonte er den positiven Einfluss von Auslandsaufenthalten auf die Persönlichkeitsentwicklung, sowie den Erwerb von überfachlichen Kompetenzen, wie z.B. interkulturelle Kompetenz, Eigenständigkeit, Anpassungsfähigkeit, Selbstvertrauen oder Belastungsfähigkeit. Durch den Austausch solle zudem das gegenseitige Verständnis, die Toleranz sowie das gegenseitige Vertrauen zwischen den Nationen gefördert werden.
Vortrag Jost
Frau Prof. Dr. Christiane Jost, Vizepräsidentin der Hochschule RheinMain in Wiesbaden, skizzierte die Perspektive der Hochschulleitungen auf die Anerkennungspraxis nach Lissabon. Nach einer kurzen Einleitung zu den Inhalten der Lissabon-Konvention sprach Frau Jost einige Spannungsfelder hinsichtlich der Umsetzung von Lissabon an:
Ist die Lissabon-Konvention, wie im KMK-Beschluss von Dezember 2012 dargelegt, auch auf die Anerkennung bei Studienortwechseln im Inland anzuwenden?
Wie ist die Maßgabe der flexiblen und großzügigen Anerkennung mit der Profilbildung und Qualitätssicherung der eigenen Hochschule zu vereinbaren? Wie ist die Vorgabe, Anerkennungsverfahren sollten durchschaubar, einheitlich und zuverlässig sein, mit der Pluralität der Fächerkulturen und der unterschiedlichen Interessen der Hochschulakteure zu vereinen?
Zentrales Fazit von Frau Jost war, dass die Neuerungen der Lissabon-Konvention und ihre Umsetzung das Potential haben, die deutsche Hochschullandschaft nachhaltig zu verändern.
Vortrag Bartosch
Herr Prof. Dr. Ulrich Bartosch erläuterte zunächst das Kriterium des wesentlichen Unterschieds. Hierbei hob er in Anlehnung an den Leitfaden des Projekts nexus hervor, dass das Kriterium die "Akzeptanz von Unterschieden als Wesensmerkmal andernorts erbrachter Studien- und Prüfungsleistungen" impliziere. Anschließend legte Herr Bartosch dar, wie die Lernergebnisorientierung in der Anerkennungsprüfung auszulegen ist.
Wenn Lernergebnisse im Mittelpunkt der Anerkennung stehen sollen, dann ist die Voraussetzung für die Realisierung dieses Ziels eine flexible Studiengangsgestaltung und Modularisierung, die Auslandsaufenthalte ermöglicht und fördert. Die Verantwortung der Studiengangsgestalter sei es dabei, das "Studium als individuellen erfolgreichen Lern- und Bildungsweg in angemessener Zeit zu ermöglichen und die vorhandenen Qualifikationen bestätigen zu können".
Abschließend erläuterte Herr Bartosch noch den Einsatz von Fachqualifikationsrahmen sowie die Schwierigkeit, im Studienverlauf zwischen Anfangs- und Endprofil eine adäquate Prüfung der zu erreichenden Lernergebnisse und Kompetenzen vorzunehmen.
Vortrag Simon
Herr Bastian Simon, Justiziar der Universität Bielefeld, beleuchtete die Lissabon Konvention aus Sicht der Verwaltung. Ein zentraler Teil seines Vortrags behandelte die Frage, welche Veränderungen sich gerade in rechtlicher Hinsicht durch das Inkrafttreten der Lissabon-Konvention ergeben haben. Herr Simon hob hervor, dass zentrale Inhalte der Lissabon-Konvention bereits vor ihrer Ratifizierung in ähnlicher Weise in Deutschland rechtlich implementiert waren, wie etwa das gegen ablehnende Bescheide Widerspruch eingelegt werden kann, ablehnende Verwaltungsakte begründet- und Verfahren in einem angemessen Zeitraum durchgeführt werden müssen.
Gravierende Veränderungen habe die Lissabon-Konvention hinsichtlich des Anerkennungskriteriums (wesentlicher Unterschied) gebracht sowie durch die Beweislastumkehr und die Fokussierung auf Lernergebnisse bei der Anerkennungsprüfung. Eine zentrale Herausforderung und Chance für Hochschulverwaltungen sieht Herr Simon darin, durch die Gestaltung von (Verfahrens-)Abläufen einen Beitrag zum Gelingen und zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes bei Anerkennungsprüfungen zu schaffen.
Vortrag Mahrt
Frau Katharina Mahrt, Mitglied des Vorstands im freien zusammenschluss von studentInnenschaften, skizzierte in ihrem Vortrag zunächst die Erwartungen an Lissabon von Studierendenseite. Unter anderem sollte mit der Ratifizierung der Lissabon-Konvention eine klare Gesetzeslage geschaffen und der Anerkennungsprozess vereinfacht werden. Dem stellte Frau Mahrt die Ergebnisse einer DAAD-Studie von 2011 gegenüber, der zufolge z.B. von 25% der Befragten, die ein Auslandsstudium absolviert hatten, Studienleistungen nicht vollständig oder gar nicht anerkannt wurden.
Des Weiteren führte Frau Mahrt aus, dass der Kenntnisstand etwa zur Beweislastumkehr als auch hinsichtlich der Verfahren und Verantwortlichkeiten im Anerkennungsprozess nach Lissabon noch nicht ausreichend sei. Zudem sei die Kompetenzorientierung bei der Anerkennungsprüfung nicht hinreichend verankert. Zuletzt plädierte Frau Mahrt für die Abschaffung von Anerkennungsobergrenzen.
Abschlussdiskussion Vormittag
In der Abschlussdiskussion wurden vorrangig zwei strittige Themen behandelt: Zum einen wurde die Vorgabe der Lernergebnis- und Kompetenzorientierung diskutiert. Um diese zu realisieren, bedarf es der eindeutigen Benennung von Lernergebnissen in den Studien- und Modulbeschreibungen. Nur so ließe sich die avisierte Verlässlichkeit und Verbindlichkeit von Anerkennungsprüfungen realisieren, die dann unabhängig von Einzelfallprüfungen vorrangig mit der Analyse der erworbenen Lernergebnisse befasst wäre.
Zum anderen wurde die Frage der sog. Anerkennungsobergrenzen diskutiert. Diese Grenzen seien rechtlich sehr umstritten, andererseits sei eine Abschaffung gänzlicher Obergrenzen für die Hochschulen ebenfalls hochstrittig.
Herr Burckhart appellierte abschließend, die Kompetenzorientierung in den Mittelpunkt der Anerkennungsprüfung als auch der Studienganggestaltung zu stellen, sowie die Selbstgestaltungskräfte der Hochschulen wahrzunehmen.