Begrüßung und Einführung
Zur Begrüßung gab Professor Dr. Micha Teuscher seiner Freude Ausdruck, die Tagung „Persönlichkeiten für den Arbeitsmarkt wissenschaftlich qualifizieren, Teil 2“ des Projekts nexus der Hochschulrektorenkonferenz im Auditorium Friedrichstraße in Berlin eröffnen und begleiten zu können. Es handele sich um die zweite Veranstaltung zu diesem Themenfeld, die sich, gerahmt von zwei Podiumsdiskussionen, konkreten Praxisbeispielen widmet. Die gute Resonanz verdeutliche das große Interesse an der konkreten Ausgestaltung und Umsetzungen von Praxiselementen im Studium.
In seiner Einführung erkannte Professor Teuscher die besondere Bedeutung dieser Tagung im Thema und in den Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Praxis von Lehre und Studium, weil sich die Gelegenheit biete, mit einigen Missverständnissen aufzuräumen, und sich dadurch ganz neue Handlungsoptionen und ‑strategien für die Fortsetzung und Vertiefung des Bologna-Prozesses ergeben.
Um den ersten Teil der Tagung in Erinnerung zu rufen, bezog er sich auf das Grußwort des Kollegen, Vizepräsident Professor Burckhart. Dieser habe im Tagungstitel „PERSÖNLICHKEITEN für den ARBEITSMARKT WISSENSCHAFTLICH QUALIFIZIEREN“ den komplexen Auftrag der Hochschulen so erkannt, wie das Schlagwort „Employability“ aus der Bologna-Reform ursprünglich zu verstehen war:
- Studierende kompetenz- und lernergebnisorientiert fachlich und beschäftigungsbefähigend zu bilden.
- Studierende zu aktiven und selbstverantwortlichen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen, die Verantwortung übernehmen und die Gesellschaft mitgestalten.
- Studierende unabhängig von Hochschultyp und Fach für unterschiedliche Arbeitsweltanforderungen zu einem wissenschaftlich reflektierten und kreativen Umgang mit Wissen zu befähigen.
Damit stehe das Thema im Zentrum des Bologna-Prozesses. Professor Teuscher zeichnete nach, dass auf dieser Veranstaltung zudem deutlich wurde, dass es sich bei der Debatte um Employability um eine Schein- oder Stellvertreter-Debatte handele, hinter der verschiedene Kontroversen wie z.B. um die Bologna-Reform, die Ausbildungsfunktion von Hochschulen oder das Verhältnis von Universitäten und Fachhochschulen verhandelt würden. Lösungen für den Employability-Auftrag der Hochschulen seien jedoch nur möglich, wenn dieses „Hintergrundrauschen“ vermieden, besser noch überwunden werde.
Einige der zentralen Aussagen des ersten Teils der Tagung hätten wichtige Klarstellungen enthalten:
- Mit Employability sei nicht Berufsqualifizierung gemeint, sondern Qualifizierung für die Arbeitswelt. Vizepräsident Professor Burckhart habe auf die Definition der „Working Group on Employability“ verwiesen, die Employability als die Fähigkeit definiert hat, einen bedeutungsvollen Arbeitsplatz zu erhalten, im Arbeitsverhältnis zu bleiben und den Arbeitsplatz bei Bedarf wechseln zu können.
- Die Anforderungen der Unternehmen seien sehr unterschiedlich, d.h. pauschale Aussagen über Art und Umfang von Praxisbezügen, aber auch über die Anforderungsprofile der Absolventinnen und Absolventen seien schwierig zu treffen. Unternehmen formulierten als Hauptgrund für Entlassungen von Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern während der Probezeit: die fehlende Fähigkeit, theoretisch erworbenes Wissen im Berufsalltag praktisch einzusetzen. Hier sei intensiverer Dialog zwischen Hochschulen und Wirtschaft erforderlich.
- Persönlichkeitsbildung stelle eine zentrale Aufgabe der Hochschulen dar. Was Herr Sattelberger mit dem Begriff „Ich-Stärke“ bezeichnete, umfasst Selbstbewusstsein und Selbstreflektion, mithin personale und soziale Kompetenzen der Absolventinnen und Absolventen.
- Ziel sei es, die Studierenden zur sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Teilhabe zu befähigen und zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit den Ressourcen - denen ihres Arbeitgebers, denen der Gesellschaft und nicht zuletzt auch ihren eigenen. Mit Citizenship sei die gesellschaftspolitische Wirksamkeit treffend erfasst.
Es bestehe Einigkeit, dass fragile, dynamische und globale Arbeitsmärkte hoch qualifizierte und kompetente Persönlichkeiten erfordern, die ihr Wissen flexibel und lösungsorientiert in unbekannten Handlungsfeldern und Aufgabenstellungen selbständig einsetzen und weiterentwickeln können. Zur Diskussion stehe, welches Leitbild Hochschulen präferieren sollten: Das des Generalisten oder das des Spezialisten? Das des Wissenschaftlers oder das des Praktikers? Das des Forschers oder das des Anwenders?
Die Geschichte der Fachhochschulen seit Anfang der 70er Jahre zeige, dass das Leitbild einer wissenschafts- und methodenbasierten Problemlösungskompetenz gesellschaftlich stark nachgefragt wird und die Absolventinnen und Absolventen der Fachhochschulen ihren Weg machen. Der Wandel der gesellschaftlichen Ansprüche und der Anforderungen an Hochschulen seitens Wirtschaft und Gesellschaft führe zu einer überproportional steigenden Studierneigung und einer zunehmenden Akademisierung von Berufsfeldern, die bisher der Sphäre der praktischen Berufsausbildung des „Dualen Systems“ zugeordnet waren. Da ist weniger die Qualifikation des „Forschers“ als die des „Problemlösers“ gefragt. Damit einher geht ein Wandel auch der Fachhochschulen zu Hochschulen der angewandten Wissenschaften.
Auch an Universitäten, die für die Karriere als forschender Wissenschaftler ausbilden, und nichts anderes ist mit dem Privileg des Promotionsrechts verbunden, stelle sich diese Aufgabe neben der fachwissenschaftlichen und methodischen Qualifikation ihrer Studierenden.
Experten seien sich einig, dass Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt vor beispiellosen Veränderungen stehen, denen Hochschulabsolventinnen und ‑absolventen als Bürger, als Arbeitnehmer und als Verbraucher gewachsen sein sollten, um aktiv und gestaltend daran mitwirken und die damit einhergehenden Probleme bewältigen zu können. Weil dafür keine einmal ‚abgeschlossene Ausbildung‘ ausreichen werde, gebe es Konzepte Lebenslangen Lernens.
Lebenslanges Lernen gilt für alle Berufsgruppen in der Gesellschaft. So muss auch Absolventinnen und Absolventen der beruflichen Bildung die - auch berufsbegleitende - Gelegenheit gegeben werden, später ein Studium als biografische Weiterbildung ergreifen zu können. Dafür sei Durchlässigkeit Voraussetzung: Jede und jeder solle sich nach den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen sowie den Anforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft weiterbilden können. Den Hochschulen tue sich damit ein Betätigungsfeld auf, das sie bisher durch Angebote zu berufs- oder familienphasen-begleitenden Weiterbildungsstudiengängen nur unzureichend erschließen. Hilfreich dafür sei es, ein Verständnis für „biographische Weiterbildung“ zu entwickeln, das derartige weiterbildende Studienangebote auch auf Bachelorebene zulässt.
Damit habe die erste Veranstaltung am 10.07.2013 der Bestandsaufnahme zur Umsetzung der „Employability“ in Deutschland gedient. Als Diskussionsgrundlage wurden Ergebnisse von Studierenden-, Absolventen- und Arbeitgeberbefragungen zu Praxisbezügen im und zur Arbeitsweltrelevanz des Studiums vorgestellt. Des Weiteren wurde eine prominent besetzte Podiumsdiskussion ausgerichtet, in der zentrale Befunde und Themenbereiche erörtert und diskutiert wurden:
- Praxisbezug kann auf vielfältige Art und Weise vermittelt werden und ist Lerntyp- und kontextabhängig einzubinden: problemorientiertes Lernen, fallbasiertes Lernen, forschendes Lernen, Praxissimulation, Praxisphasen, Praktikum, Projektarbeit, usw.. Praxisbezug hat auch eine fächerabhängige Relevanz.
- Neben strukturierten, begleiteten Praktika und den klassischen Praxissemestern sowie Abschlussarbeiten in Unternehmen wurde die zunehmende Bedeutung des social learning, bei dem Praxisbezüge mit sozialem Engagement verbunden werden, betont. Hier engagieren sich viele Hochschulen in den USA.
Damit leitete Professor Teuscher zum zweiten Teil der Tagung über: DASS Hochschulen ihre Studierenden qualifizieren, sei eine Selbstverständlichkeit. Es gehe um die Frage, WIE Hochschulen arbeits- und lebensweltliche Elemente in die Lehre integrieren könnten, um die gesellschaftlichen Ansprüche und die Forderungen der Wirtschaft an ein Studium zu erfüllen:
Hochschulen müssten ihre eigenen Wege finden, qualitativ hochwertige Praxiselemente zum Wohle der Studierenden einzubinden. Sechs Praxisbeispiele verschiedener Hochschulen würden vorgestellt, um beispielhafte Konzepte sichtbar zu machen und Anregungen für die Praxis zu geben (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg; Hochschule Coburg; Universität Münster; Universität Duisburg-Essen; Universität Bielefeld; Universität Frankfurt am Main). Mit den zwei Podiumsdiskussionen („Bildungssofa“: Studium zwischen Theorie und Praxisbezügen?; Expertengespräch: Mehr Praxisbezüge im Studium?) sei die Einladung verbunden, offen zu diskutieren, bestehende Herausforderungen zu benennen und gemeinsam Lösungsansätze zu finden. Ziel der Tagung sei es, dass die Teilnehmenden Antworten auf ein paar ihrer Fragen finden.