Die kompetenzorientierte Gestaltung von Studiengängen, Modulen, Lehrveranstaltungen und Prüfungen in der Hochschulpraxis stand im Zentrum der Tagung „Zur praktischen Umsetzung der Kompetenzorientierung in Hochschulen“, die das Projekt nexus in Kooperation mit der Technischen Hochschule Köln am 26. Februar in Köln ausgerichtet hat.
Prof. Dr. Sylvia Heuchemer, Vizepräsidentin der Technischen Hochschule Köln, stellte in ihrer Begrüßung die grundlegende Verbindung zwischen Kompetenzorientierung und mittlerweile 20 Jahren Bologna-Reform heraus. Das hohe Interesse an der Tagung, dass sich sowohl in Form von eingereichten Beiträgen als auch in der Anzahl der Teilnehmer zeige, verdeutliche, dass schon viel erreicht wurde, die Thematik aber weiterhin Gegenstand einer fruchtbaren Auseinandersetzung in der hochschulischen Community sei. Konsequente Kompetenzorientierung bleibe diskussionswürdig, da sie gleichzeitig Herausforderung und Chance bedeute: Während sie einen tiefen Eingriff in die Strukturen von Hochschulen mit sich bringe, ermögliche sie zugleich gute Lehre. Gute Lehre sei ein offener Gestaltungsprozess, der u.a. die Reflexion der eigenen Lehre zur Bedingung habe. Die Tagung biete die Gelegenheit, interessante Konzepte vorzustellen, zu reflektieren und zu diskutieren.
Tilman Dörr begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Namen des Projekts nexus. Er betonte den umfassenden Charakter des Themas Kompetenzorientierung. So beträfe die Umsetzung in Hochschulen alle Statusgruppen und müsse mit verschiedenen Dimensionen – von Governance, Qualitätsmanagement und Studiengangsentwicklung bis zu Prüfungsformaten sowie Qualifizierungs- und Unterstützungsangeboten für Lehrende – verzahnt sein.
In seiner Keynote betonte Prof. Dr. Frank Dellmann, Vizepräsident der Fachhochschule Münster, einleitend ebenfalls den politischen Hintergrund von Kompetenzorientierung. Anschließend präsentierte er das Vorgehen an der Fachhochschule Münster als ein Beispiel für die strategische Verankerung und operative Umsetzung von Kompetenzorientierung an Hochschulen. Zu Beginn des Münsteraner Prozesses hätten die Kompetenzdefinitionen von Van der Blij u.a. (2002) und Schaper u.a. (2012) sehr geholfen. Verständlich sei geworden, dass es nicht nur um Kenntnisse, Wissen und Fertigkeiten gehe, sondern dass Kompetenzorientierung auf die vielfältigen Lernprozesse der Studierenden und deren Lernaktivierung abziele. Mit Hilfe der sogenannten Academic Scorecard, dem Hauptinstrument des Qualitätsmanagements an der Fachhochschule Münster, gelinge es für alle Ebenen der Hochschule entlang des Leitbilds strategische Ziele in konkrete zu übersetzen und praktische Maßnahmen festzuhalten. Ein wichtiger Faktor für das Gelingen der Umsetzung von Kompetenzorientierung sei der Gewinn der Lehrenden. Dies geschehe über kontinuierliche Diskussion der Maßnahmen im Rahmen von dafür geschaffenen Kommunikationsanlässen wie dem Jahresgespräch. Darüber hinaus habe eine Studie, die belegt habe, dass Unternehmen außerfachliche Kompetenzen (z. B. Teamfähigkeit) wertvoller einschätzten als fachliche, stark zur Erhöhung der Akzeptanz beigetragen.
In parallel stattfinden Sessions zu den Themenbereichen „Studiengangs- und Curriculumsentwicklung“, „Lehre und Lernen“, „Kompetenzmessung und -monitoring“, „Prüfungen“ und „Qualitätsmanagement“ wurde im Folgenden die Vielfalt gelingender Ansätze auf allen Hochschulebenen für die praktische Gestaltung von Kompetenzorientierung eindrucksvoll deutlich. Vier Aspekte standen im Fokus der Diskussionen:
- Individuelle Kompetenzentwicklung: Wo stehen Studierende zu Beginn eines Studiums und wo sollen sie sich am Ende befinden? Wie lässt sich diese Wunschvorstellung in Studiengängen und Modulen sowie in Lehre und Prüfungen (Stichwort „Constructive Alignment“) in die Praxis umsetzen?
- Erwerb überfachlicher Kompetenzen bzw. Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt: Mehrfach wurden Studien angeführt, die die hohe Bedeutung von außerfachlichen Kompetenzen in der Arbeitswelt bescheinigen. Explizit wurde somit der Zusammenhang von Kompetenzorientierung in Studium und Lehre und Beschäftigungsfähigkeit.
- Herausforderungen: Neben fehlenden Ressourcen wurden unter anderem auch starre Vorgaben, beispielsweise für Prüfungen, als Umsetzungshindernisse angeführt.
- Kommunikation von Kompetenzorientierung: Die Notwendigkeit, alle Akteure einzubinden, um erfolgreich Kompetenzorientierung an Hochschulen zu praktizieren, wurde durchweg als der zentrale Erfolgsfaktor betont: Bedenken und Kritik müssten ernst genommen werden sowie in fortgesetzten und respektvollen Gesprächen auf sie reagiert werden.
Die Abschlussvorträge vertieften die Themenbereiche des „Lehrens und Lernens“ aus hochschulstrategischer Perspektive und der „Kompetenzmessung“ aus internationaler Forschungssicht. Prof. Dr. Thomas Schüssler, Prorektor für Lehre und kommissarischer Rektor der Hochschule Mannheim und Prof. Dr. Manfred Oster, ebenfalls von der Hochschule Mannheim, lenkten den Blick auf die Fakultätsebene und die Kompetenzen der Lehrenden. Im Rahmen der Förderung einer stärker interdisziplinären Zusammenarbeit der Fakultäten der Hochschule Mannheim wurde ein Kompetenzzentrum Lehre und Lernen eingerichtet, das hochschulweit Kompetenzen für die Entwicklung und Durchführung innovativer Lehr-Lernformen zusammenführt. Die Annahme der Angebote durch die Lehrenden bedürfe viel Überzeugungsarbeit im Rahmen von beständiger und auf Augenhöhe stattfindender Kommunikation.
Dr. Christiane Kuhn stellte das deutschlandweit und international arbeitende Projekt KoKoHS („Kompetenzmodelle und Instrumente der Kompetenzerfassung im Hochschulsektor“) vor. Ausgehend von der Prämisse, dass Kompetenzorientierung von fundamentaler Bedeutung für die Verbesserung von Lehre und Lernen sei, aber Instrumente zur validen, reliablen und objektiven Messung dieser Kompetenzen benötigt würden, erarbeiten die in KoKoHS gebundenen Studien beispielsweise Formate zur Überprüfung überfachlicher Kompetenzen und erheben Daten zum Niveau und zur Entwicklung von fachlichen wie fachübergreifenden Kompetenzen.
Insgesamt bot die mit fast 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgebuchte Konferenz eine Plattform zum Kennenlernen und zur intensiven Diskussion von vielversprechenden Praxisbeispielen, Konzepten und Forschungsergebnissen von etwa 30 Hochschulen im Rahmen von Vorträgen, Workshops und Postern.